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schließlich voraus, um uns dorthin zu lotsen. Das Smith RV Parkgelände ist eine absolute
No-go-Area. Das Wirtschaftsgebäude ist eine nur notdürftig hergerichtete Bretterbude mit
Toiletten, die wahrscheinlich genauso ausgetrocknet sind, wie der staubige Campground
des kargen und baumlosen Geländes. Hier stand noch nie ein Camper und hier wird auch
nie ein Camper stehen. Jetzt wissen wir, was Rick uns zum Abschied sagen wollte. Doch
nach Culbertson wollen wir nicht zurückkehren.
23 Meilen weiter westlich erreichen wir Wolf Point, die nächstgelegene Ortschaft, die ver-
heißungsvoll mit dem Silver Wolf Casino lockt. Mit knapp 3 000 Einwohnern ist die Stadt
die größte Ortschaft in der Fort Peck Reservation. Nicht so heruntergekommen und abs-
chreckend wie Poplar, wirkt Wolf Point lebendiger und prosperierender. Der Bevölkerun-
gsanteil der Weißen liegt bei 55%, der der Indianer bei knapp 41%. Besondere Sehenswür-
digkeiten hat der Ort, vom Roosevelt County Museum und der 1930 eröffneten Lewis and
Clark Bridge über den Missouri mal abgesehen, nicht zu bieten. Da die Stadt aber jährlich
eines der ältesten Rodeos veranstaltet, gilt Wolf Point zumindest in diesem Bundesstaat als
„Grandaddy of all Montana Rodeos“.
Die Digitalanzeige an der Gasstation am östlichen Ortseingang zeigt 32 °C, der Asphalt
unter unseren Füßen scheint zu kochen. Die Warnung auf der Zapfsäule: „No pay, no li-
cence, drive-off without paying for gas, it could be the last time.“ beunruhigt uns nicht,
da wir nicht vor haben, gegen das Gesetz zu verstoßen. Eine unter Drogen oder Alkohol
stehende Indianerin bettelt mich an. Ich bin etwas konsterniert, gebe ihr einen Dollar. Sie ist
empört, schimpft, will zehn Dollar. Ich drehe mich weg. Die Frau bietet ein Bild des Jam-
mers. Supermarkt Albertson. Ein ganz in Schwarz gekleideter Indianer torkelt betrunken
an mir vorbei. Ich schaue weg, habe keine Lust, angebettelt zu werden. Es ist für mich ein
deprimierendes Erlebnis, Angehörige eines einst so stolzen Volkes in solch erbärmlichem
Zustand zu sehen. Gleichzeitig erscheint es mir auch als eine Schande, dass ein so reiches
Land wie die USA ihre Ureinwohner unter menschenunwürdigen Bedingungen dahinve-
getieren lässt. Trotzdem: Wolf Point ist genau der richtige Standort für die nächsten Tage.
Nachdem wir eingekauft haben, verlassen wir Wolf Point in westlicher Richtung, um kurz
hinter dem Ortsausgang auf dem Rancho RV Park Quartier zu beziehen. Obwohl es nur
wenige Bäume gibt, die Schatten spenden, sind wir mit unserem Stellplatz zufrieden. Der
Rancho Park liegt zwischen flachem, braunem Farmland, nur 150 Meter von der Bahnlinie
Chicago-Seattle entfernt, die uns mit Signal- und Schienengeräuschen begrüßt. Das Motel
und die angrenzenden Dusch- und Waschräume sind renovierungsbedürftig. Die Zimmer-
türen des Motels wurden teilweise zugenagelt, einige Fenster notdürftig mit Pappe und
Plastik ausgebessert. Die Sanitäranlagen sehen hässlich, brüchig und schmutzig aus, aber
aus den Duschköpfen und Wasserhähnen kommt warmes Wasser, und das allein zählt.
Der 65-jährige Ron, Angestellter des Campgrounds und ein waschechter Sioux, weist uns
in die Örtlichkeiten ein. Er erzählt, dass er ein erfolgreicher Traditional Indian Dancer war,
der Deutschland im Jahr 1992 mit seiner indianischen Tanzgruppe bereist hat. Von ihm er-
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