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sind. Als ich einen Abstecher in die Hügel mache, stoppt ein Farmer seinen Trecker und
ruft mir zu: „Watch for Rattlesnakes!“ Die Tour hat etwas Unwirkliches, eben sind da noch
die unglaublichsten Formationen, kurz darauf beherrscht banaler Weizenanbau die Szen-
erie. Pfützen und Matsch zwingen uns zu vorsichtiger Fahrweise, der Weg muss noch vor
kurzem komplett unter Wasser gestanden haben.
Die Straße endet an einer kleinen Ansiedlung. Verlassene Farmgebäude, verwitterte, un-
bewohnte Häuser und verfallene Schuppen stoppen uns. Im Süden grasen Rinderherden.
Es scheint, als ob die Zeit in diesem unwegsamen Teil Montanas stehen geblieben ist.
Die menschenleere Landschaft ist nicht im klassischen Sinne schön, sondern einsam, wild,
verwegen und abenteuerlich. Voller Bewunderung schaue ich in diese archaische, endlose
Weite. Am Wegesrand liegen Findlinge, die durch Gletscher hierher drifteten. Sie sehen
aus, als ob sie jemand auf der Flucht zurückgelassen hätte. Kein Auto weit und breit. Wären
da nicht die Reifenabdrücke im Straßenschotter, könnte man meinen, allein auf der Welt zu
sein. Hin und wieder stehen Kühe auf der Fahrbahn und starren uns verblüfft an. Anson-
sten bewegen wir uns durch eine leicht hügelige Landschaft mit sacht wogenden, prallgel-
ben Weizenfeldern, die bis zur Kimm reichen, manchmal von einsamen Ranches oder
graugrünen Rüben- und Bohnenanbauflächen unterbrochen, die das silbrige, schlangen-
förmige Band des Missouris flussabwärts begleiten. Der Blick auf den legendären Strom
ist ergreifend. Wie von Karl Bodmer gemalt präsentiert sich die Flusslandschaft mit ihren
vielen Inseln, Sandbänken und Schwemmholz als eine romantische Inszenierung der Natur.
Man kann sehr genau den Unterschied zwischen den beiden Uferlandschaften erkennen.
Die Hügel der Südseite sind bewachsen, während sich die Nordseite fast vollständig baum-
und strauchfrei entwickelt hat. Hin und wieder sind Gesteinsformationen zu entdecken, die
steil am Ufer emporsteigen und dabei durchaus Bodmers Skizzenbuch entstiegen sein kön-
nten.
Wir erkunden die nördliche Flussseite bis zur Zollstation an der kanadischen Grenze, 16
Meilen hinter Plentywood.
Dort erreichen wir auch den nördlichsten Punkt unserer gesamten Reise. Auf der Rückfahrt
nach Plentywood, das seinen Namen dem früheren Holzreichtum der Gegend zu verdanken
hat, bemerken wir, dass auf den Wellenhügeln kein einziger Baum mehr steht.
Auf einer kleinen Anhöhe stoppen wir unseren Bus und blicken in unendliche Weite, ins
unendliche Nichts. Land of Nowhere! Ein grenzenloser Horizont, der den Europäer staunen
lässt. Soweit der Blick reicht: Felder, Weiden, Zäune und in der Ferne Prärie, die sich in
bräunlicher Unschärfe auflöst.
In Plentywood, einer Kleinstadt mit knapp 1 800 Einwohnern und sieben Kirchen, essen
wir im Gold Dollar Restaurant zu Mittag und warten den heftigen Schauer ab, der uns
wie aus dem Nichts kommend überrascht hat. Als wir einen Abstecher ins Medicine Lake
Refuge machen, einem riesigen wasserreichen Naturschutzgebiet, in dem 225 Vogelarten
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