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Wir fragen in der Bibliothek nach einem ATM (Automated Teller Machine). Es gibt in Cul-
bertson nur einen Geldautomaten und der befindet sich in der Montana-Bar, fünfzig Meter
den Broadway hinunter. Ich bin begeistert, endlich habe ich einen Grund, in diese Bar zu
gehen.
Vor dem Saloon warten zahllose Fahrzeuge nebeneinander, wie damals zu Wildwest-Zeiten
die Pferde. Drinnen sieht es genauso aus, wie man es aus vielen Filmen kennt: Eine lange
Theke mit Fußstange, Barhocker, einfache Tische und Stühle aus Holz. Es riecht, wie es
in einer Bar zu riechen hat, nach kaltem Rauch und verdunstetem Alkohol. Die Bardame
sieht aus, wie Bardamen aussehen müssen: das Gesicht verlebt, die Haare schlecht getönt,
die Stimme rauchig und gelangweilt. Männer mit Cowboyhüten stehen an der Bar und an
den Stehtischen oder sitzen vor den „einarmigen Banditen“. Sie heben nur kurz den Kopf,
mustern mich und widmen sich erneut ihren Tätigkeiten. Der Saloon wird zugedröhnt mit
höllisch lauter Rockmusik, deren Bässe die Gläser zum Vibrieren bringen. Der hintere
Bereich der Bar ist mit Spielautomaten bestückt. Dort sitzen weitere Gäste, die sich intens-
iv mit den Geräten beschäftigen. Am Durchgang zum Restroom steht der wacklige ATM,
oder wie die Amerikaner sagen: die „money machine“.
Was sich schon in North Dakota abzuzeichnen begann, wird in Montana zur Gewissheit. In
the Middle of Nowhere fragt man den Fremden nicht mehr, woher er kommt oder wohin er
geht. Nachdem ich das Geld gezogen habe, nicke ich kurz, aber cool, in Richtung Barfrau
und verlasse mit federnden Schritten die Lokalität.
In der Nacht fegt ein schweres Unwetter über Culbertson hinweg. Draußen ist die Hölle
los. Es schüttet wie aus Kübeln, um uns herum toben Blitz und Donner. Der Sturm zerrt
wild an unserem VW, Regen prasselt auf das Dach. Da wir in unserem VW-Bus durch den
Faradayschen Käfig geschützt sind, bleiben wir aber einigermaßen gelassen.
Am nächsten Tag fragt Rick, wie es uns in der Nacht ergangen ist. Als wir ihm aufgeregt
von dem nächtlichen Sturm erzählen, schaut er uns etwas mitleidig an. Er kann kaum be-
greifen, dass uns europäische Weicheier ein Sommergewitter so beunruhigen kann. Seit-
dem hoffen Elke und ich, nie in einen Orkan zu geraten, der auch standfeste Montana-
People in Angst und Schrecken versetzen könnte.
Die folgenden Tage nutzen wir, um uns die Landschaft auf beiden Seiten des Missouris an-
zuschauen.
Bei einer Exkursion auf die Südseite des Missouri Rivers wollen wir die Landschafts-
marken finden, die Wied in seinem Buch beschrieb. Auf der unbefestigten County Road
152 fahren wir Richtung Westen, mit einem traumhaften Blick auf die schroffe, wilde
Landschaft. Die Hügellandschaft besteht überwiegend aus Sandstein. Vögel nutzen das
Sedimentgestein, um darin Nistplätze zu bauen. Autowracks und ausrangierte Land-
maschinen stehen um die Farmgebäude herum und rosten vor sich hin. Wie aus dem Nichts
tauchen surrealistische Gesteinsformationen auf, die aus einer anderen Welt zu stammen
scheinen. Teilweise sieht es so aus, als ob Teile eines antiken Bauwerks heruntergestürzt
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