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APOLEON AUF
E
LBA
Mit dem Vertrag von Fontainebleau erhielt
Napoleon,
der Kaiser der
Franzosen, die
Insel Elba als souveränen Staat
auf Lebenszeit. Seinen
Titel durfte er behalten. Ursprünglich wollte er sich diesem Schicksal
nicht fügen, doch nachdem ein Selbstmordversuch fehlgeschlagen war,
unterschrieb er den Vertrag am 14. April 1814 und machte sich auf den
Weg an die französische Küste. Dort schiffte er sich auf der britischen
Fregatte „Undaunted“ („Unerschrocken“) nach Elba ein.
Der Name des Schiffes war Programm. Unverzagt nahm er sein neu-
es Leben in Angriff und studierte schon auf der Reise alle verfügbaren
Portfolios über Elba. Bereits vor seiner Ankunft ließ er folgende
Prokla-
mation
verbreiten: „Bewohner Elbas! Ich, Napoleon, habe mir eure In-
sel wegen der Milde des Klimas und der Sanftmut eurer Sitten zum
Wohnsitz ausgewählt. (...) Seid meine guten Kinder, wie ich euch ein
guter Vater sein will.“ Von freier Wahl konnte freilich nicht die Rede
sein. Doch
Napoleon
beherrschte dank der italienischen Abstammung
seiner Mutter nicht nur die italienische Sprache, sondern war auch bes-
tens mit den italienischen Sitten und dem „fare una bella figura“ (
Ü
Ex-
kurs „Italienischer Lebensstil“) vertraut.
Noch auf dem Schiff entwarf er die
Flagge
für sein neues Fürstentum:
ein mit drei goldenen Bienen besetzter roter diagonaler Streifen auf
weißem Grund. Erst als die neuen Fahnen von den Türmen und
Dächern von Portoferraio wehten, ging er am
3. Mai 1814
an Land, wo
man ihn begeistert empfing. In Ermangelung der nicht auffindbaren
Stadtschlüssel überreichte ihm Bürgermeister
Traditi
den noch eilends
vergoldeten Schlüssel zu seinem eigenen Weinkeller. Diesen gab
Napo-
leon
allerdings mit den Worten zurück: „Bei Ihnen, Signore il Sindaco,
sind sie in den besten Händen.“
Im
Rathaus
hatte man für
Napoleon
in der oberen Etage schnell ein
paar Zimmer leer geräumt und mit Möbelspenden der Bewohner not-
dürftig eingerichtet. An Schlaf war in dieser ersten Nacht jedoch nicht
zu denken, denn auf der Piazza feierten die Bewohner seine Ankunft.
Und schon am nächsten Morgen wurde er von einem intensiven Ge-
stank geweckt, denn die Elbaner kannten keine Latrinen, sondern ent-
leerten alles in den Rinnstein. So war eine der ersten Handlungen
Na-
poleons
in seinem neuen Reich die
Einrichtung einer öffentlichen La-
trine
und einer entsprechenden Steuer für die, die nicht innerhalb kür-
zester Zeit eine eigene vorweisen konnten.
Napoleon,
mit seinen 44 Jahren im besten Alter, ging vom ersten Tag
an voller Ideen und Tatendrang an die
Organisation und Finanzierung
seines kleinen Staates. Und als guter Landesvater kümmerte er sich
gleichzeitig um Verwaltung, Sozialwesen, Hygiene, Bildung, innere und
äußere Sicherheit sowie das gesellschaftliche Leben. Bei Letzterem er-
hielt er später tatkräftige Unterstützung durch seine Schwester
Paolina.
Seine größten Sorgen galten natürlich den
Finanzen.
Zwar standen
ihm laut Vertrag jährlich 2 Mio. Franc von
Ludwig XVIII.
zu, doch dieser
zahlte nie einen Sou. Neben den Salinen und dem Weinanbau waren