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Eine Piratenbesatzung für ein Schiff wurde gezielt zu einem Beutezug
angeworben. Waren genügend Leute beisammen, wurde ein regelrech-
ter Vertrag, Chasse-partie genannt, aufgesetzt. Hier wurden die einzel-
nen Anteile der Mannschaft genau festgelegt. Es gab Extraprämien für
denjenigen, der als erster ein fremdes Schiff erspähte, für den, der als
Erster an Bord war, und für das Niederholen der gegnerischen Flagge.
Weiterhin wurde eine Art Sozialkasse angelegt und genau bestimmt,
wieviel ein Mann für einen verlorenen Arm, ein verlorenes Bein oder
andere Verwundungen bekommen sollte. Auf einem eroberten Schiff
wurde die gesamte Beute zusammengetragen, niemand durfte sich et-
was einstecken, dies musste jeder auf die Bibel beschwören. Es gab so-
gar eine eigene Rechtsprechung, nach der die Gemeinschaft entschied,
ob jemand den Vertrag gebrochen hatte.
Die Boucanniers gingen auch bald dazu über, Städte zu plündern. Für
diese Unternehmungen stellten sie große Heere zusammen, die dann
plündernd und mordend u. a. in Campeche (Mexiko) und Porto Bello
(Panama) einfielen.
Herausragende Köpfe waren der Franzose François Lolonois und der
Waliser Henry Morgan. Lolonois war einer der ersten, der in größerem
Stil spanische Städte auf dem Festland überfiel.
Morgan brachte es schließlich sogar bis zum Gouverneur von Jamai-
ka, einem weiteren Piratennest. Als Belohnung und auch als eine der
Möglichkeiten, der Piraterie gewisse Grenzen zu setzen, wurde er vom
englischen König geadelt und zum Gouverneur ernannt.
Das Ende der Boucanniers kam langsam und friedlich. Die Spanier
versuchten Tortuga gewaltsam zu räumen, was aber nur zum Teil ge-
lang. 1664 wurde unter dem damaligen Gouverneur D'Ogerón eine an-
dere Methode versucht, die darauf hinauslief, die Boucanniers zu do-
mestizieren. Sie sollten begnadigt werden und ein Stück Land bekom-
men, um als Farmer zu leben. Es wurden sogar Frauen aus Frankreich
importiert, um den Piraten die Möglichkeit zu geben, eine Familie zu
gründen. Tatsächlich stieg die Zahl der Farmer auf Hispaniola in nur vier
Jahren von 400 auf 1500, die Piraten von Tortuga gingen nach und nach
in den Ruhestand. Wer Pirat bleiben wollte, musste auswandern, z. B.
nach Jamaika. Die Insel Tortuga, die einst ein gefürchtetes Piratennest
war, wurde bald vergessen.
Damals tummelten sich in der Karibik neben den freiberuflichen Pira-
ten und den Boucanniers auch die im staatlichen Auftrag agierenden
Piraten. Diese führten bei der Plünderung spanischer Schiffe und Häfen
einen Kaperbrief mit sich, der es ihnen erlaubte, Schiffe feindlicher Na-
tionen auszurauben. Dies führte dazu, dass Spanien seine angeblich un-
besiegbare Armada 1588 nach England schickte, um endlich mit der
staatlich unterstützten Piraterie aufzuräumen. Das Ergebnis ist bekannt,
die Armada ging in den Herbststürmen vor Schottland unter.
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