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Und da saß er mir nun gegenüber, wunderte
sich, was der Gringo so alles wissen wollte. Nein,
sonderlich viel Spaß mache ihm der Job nicht,
aber besser als in einer Fabrik in einer Zona franca
sei er allemal. Dort arbeite eine Schwägerin, und
die müsste acht bis zehn Stunden nähen. Sie wür-
den zwar mit einem Bus hingefahren und bekä-
men auch regelmäßig Gehalt, aber er würde die
Freiheit hier als Vendedor ambulante, als ambu-
lanter Händler, doch vorziehen. Carlos, so sein
Name, läuft deshalb auch jeden Tag am Strand
von Boca Chica auf und ab und bietet seinen
Schmuck an.
Sei die Konkurrenz nicht zu groß? Klar doch,
aber man muss eben überzeugend auftreten.
Gehört ihm der Schmuck? Keinesfalls, er muss so-
gar eine Gebühr dafür bezahlen, genau wie die
meisten anderen Händler auch. Also verdient der
Boss im Hintergrund am besten? Nicht unbedingt,
denn er könne ja den Preis festsetzen, und Grin-
gos zahlen sowieso zuviel.
Der Durchschnittslohn liegt bei 5000-6000
Pesos, ein guter Job bringt 8000 Pesos. Erreicht
Carlos diese Summe? Manchmal. Hombre, ich will
nicht klagen, die Familie meiner Frau wohnt in der
Cordillera (in den Bergen), hat ein wenig Land. Die
haben dadurch zwar ihre Früchte und Gemüse,
aber kaum Geld. Aber im campo (auf dem Land)
möchte ich nicht mehr leben.
Was bleibt denn übrig? Hombre, sehr unter-
schiedlich! Immerhin muss er täglich von Santo
Domingo nach Boca Chica fahren, muss seine
Frau und die drei Kinder ernähren, eine Wohnung
bezahlen, und krank werden dürfe er schon gar
nicht. Kaum jemand erhält nämlich eine Kranken-
versicherung oder gar Rentenversicherung. Das
bekämen vielleicht Staatsangestellte, aber er nicht.
Ein Bruder versucht sich als Händler am Parque
Enriquillo in Santo Domingo, aber dort sei es noch
viel schwieriger, denn dort feilscht er mit Domini-
kanern, und die kennen ganz genau jeden Preis.
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