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DIE LIEBLINGSSTIMME BRASILIENS TOM PHILLIPS
Einer der beliebtesten Musiker Brasiliens ist Gilberto Gil. Der nach wie vor aktive
Grammy-Preisträger und frühere Kulturminister (2003-2008) war einer kleinen
Showeinlage nach einem wichtigen Meeting, z. B. auf dem Weltwirtschaftsforum in
Davos, nie abgeneigt. Er gab einen ziemlich untypischen Regierungsbeamten ab,
insbesondere weil er zu Beginn seiner musikalischen Karriere als engajado (politischer
Aktivist) unterwegs war. In den 1960er-Jahren musste er zwei Jahre im Londoner Exil
verbringen, weil er die Diktatur mit seinen provokativen Liedtexten beleidigt hatte.
Gil stammt aus dem Staat Bahia. Er wurde 1942 geboren und wuchs in der Nähe
von Salvador auf. Seine Familie gehörte der Mittelschicht an. Als Sänger startete er
1965 durch, nachdem er mit einem anderen Musiker aus Bahia, Caetano Veloso, nach
São Paulo umgezogen war. Die beiden begründeten die tropicália, eine kurzlebige,
aber einflussreiche kulturelle Bewegung, die traditionelle brasilianische Musik mit den
E-Gitarren und dem psychedelischen Sound der Beatles unter einen Hut brachte.
Jahre später nahm Veloso sogar eine musikalische Widmung für die Jungs aus Liver-
pool auf: Tupiniquim (eine indigene Bevölkerungsgruppe aus dem Nordosten) sangen
Sugar Cane Fields Forever.
Im Laufe der Zeit landete Gil einen Superhit nach dem anderen und verwandelte
sich vom schnellfüßigen sambista zum lyrischen Balladensänger und zur Reggae-
Ikone samt Dreadlocks.
Seit der Veröffentlichung seines Albums Louvaçao (1967) hat er Dutzende von Plat-
ten auf den Markt gebracht, darunter Kaya N'Gan Daya zu Ehren seines Idols Bob Mar-
ley. Er stand bereits mit unzähligen Musikern und Berühmtheiten auf der Bühne und
einmal spielte er sogar mit dem früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan die Bongos!
In den letzten Jahren wurde es etwas ruhiger um ihn, doch der schlanke Mann tritt
immer noch auf, z. B. 2012 am Strand von Copacabana. 500 000 Menschen kamen,
um ihn und Stevie Wonder zu sehen.
Hier ein paar seiner wichtigsten Platten:
¨ Gilberto Gil (Frevo Rasgado, 1968) - Gilberto Gil
¨ Tropicália, ou Panis et Circencis (1968) - Gilberto Gil, Caetano Veloso, Gal Costa
und Os Mutantes
¨ Acoustic (1994) - Gilberto Gil
¨ Tropicália 2 (1994) - Gilberto Gil und Caetano Veloso
¨ Refazenda (1996) - Gilberto Gil
¨ Quanta (1997) - Gilberto Gil
ge Vertreter der tropicália sind Gal Costa, Jorge Benjor, Maria Bethâ-
nia, Os Mutantes und Tom Zé. Die tropicália hatte zunächst einen
schweren Stand, denn die Öffentlichkeit mochte die Elektro- und Rock-
einflüsse nicht (Veloso wurde mehrfach ausgebuht und von der Bühne
gejagt), doch in den 1970er-Jahren hatten sich die radikalen Ideen
durchgesetzt. Trotzige Texte waren in dieser Zeit allgegenwärtig.
Música Popular Brasileira (MPB)
Música Popular Brasileira (MPB) ist ein Sammelbegriff, mit dem die
brasilianische Popmusik nach dem Bossa nova zusammengefasst wird.
Dazu gehören tropicália, pagode (ruhige, rhythmische Sambaform) und
brasilianischer Rock und Pop. Sämtliche Musikrichtungen gehen auf
den Samba zurück. Selbst in brasilianischem Rock, Heavy Metal, Disco-
sounds oder Pop klingen oft Elemente dieses Genres durch.
Die Geburtsstunde der MPB waren die 1970er-Jahre. Sie brachte ta-
lentierte Musiker wie Edu Lobo, Milton Nascimento, Elis Regina, Dja-
van und Dutzende andere hervor. Viele von ihnen schrieben Protest-
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