Travel Reference
In-Depth Information
DIE URSPRÜNGE DER FAVELA
Im¨Nordosten¨Brasiliens¨führten¨in¨den¨1870er-¨und¨1880er-Jahren¨schreckliche¨Dür-
ren¨und¨der¨Niedergang¨der¨Zuckerindustrie¨zu¨einer¨verheerenden¨Wirtschaftskrise.¨
Damals¨fanden¨messianische¨Bewegungen,¨die¨eine¨Vision¨der¨Hoffnung¨brachten,¨
bei¨den¨Armen¨des¨Landes¨großen¨Anklang.¨Die¨berühmteste¨wurde¨von¨Antônio¨
Conselheiro¨(Antônio,¨der¨Ratgeber)¨angeführt,¨einem¨Wanderprediger,¨der¨jahrelang¨
durchs¨Hinterland¨gezogen¨war¨und¨das¨Ende¨der¨Welt¨angekündigt¨hatte;¨dabei¨ver-
teidigte¨er¨die¨Armen¨und¨brachte¨die¨Behörden¨gegen¨sich¨auf.¨Er¨wetterte¨gegen¨die¨
neue¨republikanische¨Regierung¨und¨lieߨsich¨schließlich¨1893¨mit¨seinen¨Anhängern¨
im¨Norden¨Bahias¨in¨Canudos¨im¨Landesinneren¨nieder.¨Innerhalb¨von¨anderthalb¨
Jahren¨wuchs¨Canudos¨zu¨einer¨Stadt¨mit¨35¨000¨Bewohnern.
Die¨republikanische¨Regierung¨fürchtete¨von¨dort¨Verschwörungen¨mit¨der¨Ab-
sicht,¨Brasilien¨wieder¨zur¨Monarchie¨zurückzuführen.¨Nachdem¨die¨ersten¨Versu-
che,¨Canudos¨zu¨unterwerfen,¨gescheitert¨waren,¨schickte¨sie¨eine¨Armee¨von¨8000¨
Soldaten,¨viele¨davon¨aus¨Rio,¨in¨einen¨grausamen¨Vernichtungskrieg,¨bei¨dem¨fast¨
alle¨Männer,¨Frauen¨und¨Kinder¨aus¨Canudos¨ihr¨Leben¨verloren.¨Die¨Siedlung¨wurde¨
bis¨auf¨die¨Grundmauern¨niedergebrannt,¨um¨jede¨Erinnerung¨daran¨aus¨dem¨natio-
nalen¨Gedächtnis¨zu¨löschen.
Anschließend¨kehrten¨die¨Soldaten¨mit¨ihren¨Frauen,¨von¨denen¨einige¨Überleben-
de¨des¨Massakers¨von¨Canudos¨waren,¨nach¨Rio¨zurück,¨wo¨man¨ihnen¨im¨Gegenzug¨
für¨ihren¨Sieg¨Land¨versprochen¨hatte.¨Doch¨die¨Regierung¨hielt¨ihr¨Versprechen¨
nicht.¨Daraufhin¨besetzten¨die¨Heimkehrer,¨die¨vor¨dem¨Kriegsministerium¨ihr¨Lager¨
aufgeschlagen¨hatten,¨den¨nahe¨gelegenen¨Hügel¨Morro¨da¨Providência.¨
Als¨dort¨die¨Ersten¨ihre¨notdürftigen¨Unterkünfte¨errichteten¨und¨einzogen,¨stie-
ßen¨sie¨merkwürdigerweise¨auf¨die¨gleiche¨robuste¨Pflanze,¨die¨sie¨auf¨dem¨trocke-
nen¨Land¨rings¨um¨Canudos¨gesehen¨hatten.¨Diese¨„Favela“¨genannte¨Art¨verursacht¨
bei¨jeder¨Berührung¨Hautreizungen¨-¨Berichten¨zufolge¨sollen¨die¨widerspenstigen¨
Sträucher¨sogar¨geholfen¨haben,¨die¨ersten¨Angriffe¨der¨Armee¨zurückzuschlagen.¨
Einige¨der¨Hügelbewohner¨begannen,¨ihre¨neue¨Heimat¨Morro¨da¨Favela¨zu¨nennen,¨
vielleicht¨in¨der¨Hoffnung,¨dass¨die¨Pflanze¨sie¨beschützen¨würde,¨und¨der¨Name¨
blieb¨hängen.¨Binnen¨einer¨Generation¨wurde¨das¨Wort¨Favela¨zur¨Bezeichnung¨für¨
die¨rings¨um¨Rio¨immer¨schneller¨aus¨dem¨Boden¨schießenden¨Elendsviertel,¨die¨sich¨
rasch¨mit¨ehemaligen¨Sklaven¨und¨hungerleidenden¨Bewohnern¨des¨Landesinneren¨
auf¨der¨Suche¨nach¨einem¨besseren¨Leben¨füllten.
Passos ließ außerdem einen Tunnel bauen, der Botafogo mit Copaca-
bana verband, und bereitete so den Weg für die Erschließung der Strän-
de im Süden der Stadt. Doch ungeachtet seiner hochfliegenden Visio-
nen für Rio hatte er für die Armen nur eine Idee: ihre Entfernung aus
dem Zentrum in großem Maßstab. Diese kurzsichtige Politik sollte die
1979-1980
Sinkende Arbeiterlöh-
ne führen zu landes-
weiten Streiks. Ge-
werkschaften fordern
Gerechtigkeit, und
junge Arbeiter verbün-
den sich mit Intellektu-
ellen und Aktivisten
der Arbeiterpartei.
1985
Nach einer Periode
der abertura (öfnung)
inden in Brasilien
indirekte Präsident-
schaftswahlen statt.
Tancredo Neves
gewinnt, und die Brasi-
lianer feiern das Ende
der Militärherrschaft.
1985
Noch vor Amtsantritt
stirbt Neves. Vizeprä-
sidentkandidat José
Sarney übernimmt
die Macht, ist aber
unfähig, mit der Inla-
tion und dem riesigen
Schuldenberg fertig
zu werden.
1994
Präsident Collor wird
des Amtes enthoben,
Vizepräsident Itamar
Franco übernimmt die
Macht. Er führt den
Real ein, der die
Wirtschaft stabilisiert
und einen ökonomi-
schen Boom auslöst.
Search WWH ::




Custom Search