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Derälteren,alleinreisendenDame.WennSienebenihrlanden-vielSpaß.SiewirdohneUnterlass
die Dinge kommentieren, die sich seit ihrer letzten Bahnfahrt geändert haben, nämlich alle. Als sie
zuletzt Zug gefahren ist, war es noch vor der Wende, und sie war unterwegs zur Großtante nach
Ludwigsburg. Diese Fahrt wird sie in sämtlichen Details schildern und mit dem Komfort des mo-
dernen ICE vergleichen. Bevor Sie auch nur Luft holen können, wird Sie Ihnen das Fotobuch ih-
rer Enkel zeigen und Ihnen Rezepte aufschreiben, die Sie bis in Ihre dunkelsten Träume verfolgen
(Auberginen-Schnitzel,Hackfleisch-Eis).WennSieselbstKinderoderEnkelhaben,solltenSiedas
auf keinen Fall erwähnen, denn die ältere, allein reisende Dame will alles über sie wissen. Sie wird
Fotos sehen wollen und Ihnen ausführlich erklären, was Sie alles bei der Erziehung falsch gemacht
haben. Geben Sie Ihr nie und nimmer Ihre Adresse. Sagen Sie ihr, dass Ihr Anwalt Ihnen verboten
hat, mit fremden Menschen zu sprechen.
Dem wirklich unglaublich wichtigen Geschäftsmann. Er brüllt immerzu in sein Handy, während er
ein Notebook und ein Tablet auf den Knien balanciert. Er nimmt Sie überhaupt nicht wahr, was
eigentlich gut wäre, wenn er mal die Klappe halten würde. Das kann er aber nicht. Wenn Sie den
Fehler machen, ohne Kopfhörer neben ihm zu landen, sollten Sie schnellstens einen anderen Platz
suchen. Oder Ihrerseits das Smartphone rausholen und lautstarke Gespräche führen. Um Kosten zu
sparen, können diese auch fiktiv sein. Vielleicht verzieht er sich dann irgendwann ins Bistro.
Dem BahnCard-100-Besitzer. Er darf immer und überall Bahn fahren und nutzt jede Gelegenheit,
seine BahnCard aufblitzen zu lassen. Er hält sich für etwas Besseres und ist immer darauf aus, an-
deren Leuten zu erzählen, wo er schon überall war, welche Bahnhöfe die besten und schlechtesten
imLandsind.DieBahnCardhaternatürlichnichtselbstbezahlt,sondernvonseinerFirmabekom-
men. Vermutlich, weil niemand ihn im Büro neben sich haben will.
Dem Soldaten. Er ist gerade von einem mehrmonatigen Einsatz im Ausland zurückgekehrt und
möchte stundenlang darüber reden, wie sehr er sich darauf freut, seine Freundin wiederzusehen.
Außerdem möchte er Ihnen im Detail berichten, wie es sich als Soldat im Ausland lebt. Sollten Sie
- wie die meisten Stubenhocker - ein Pazifist und auch sonst ganz umgänglicher Mensch sein, ist
es besser, das gegenüber dem Soldaten nicht zu erwähnen.
Dem Touristen. Er wird Sie ganz harmlos fragen, ob Sie schon mal am Zielort waren. Verneinen
Sie auf alle Fälle, sonst müssen Sie stundenlang Geheimtipps schildern oder er liest Ihnen aus sei-
nemReiseführervorundmöchtewissen,obdasallesstimmt.SchwärmenSieihmstattdessennach-
drücklich vom Stubenhocker-Lifestyle vor, um ihn zu vergraulen.
Ein immerwährender Quell der Freude sind Schaffner. Sie sind die Alleinherrscher im Zug und sich
dessen vollkommen bewusst. Behandeln Sie sie also mit ausgewählter Vorsicht. Auf folgende Typen
werden Sie stoßen:
Der Oberstudienrat. Besonders in Norddeutschland weitverbreitet. Prüft jedes Ticket wie einen ge-
fälschten Einreiseantrag. Kommuniziert nur mimisch mit runtergezogenen Mundwinkeln und zu-
sammengekniffenen Augen. Würde gern das Buch schreiben: »Bahnschaffner schaffen sich ab«.
Wenn Sie ihm die BahnCard reichen, schlagen Sie am besten die Hacken zusammen, dann ist er
Ihnen etwas mehr gewogen.
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