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Reiseverweigerung
ist Wellness
Wir leben in einer Zeit, in der alle nach Ausgeglichenheit streben, nach Work-Life-Balance, nach
innerer Ruhe. Die meisten Menschen versuchen diesen Zustand zu erreichen, indem sie in ihren hek-
tischen, überbordenden Alltag zwischen die normalen Geschäftstermine noch zusätzliche Verpflich-
tungen wie Sport oder Geselligkeit einbauen, denen sie dann hinterherhetzen müssen, weil sie den
Überblick verlieren und angesichts ihres übervollen Kalenders in Stress geraten. So richtet sich die
Tagesplanung einzig danach, alle Aufgaben zu erledigen und zwischendurch pflichtschuldigst Ent-
spannung zu suchen. Wenn das halbwegs gelungen ist, unterliegen diese Menschen dem Zwang, an-
deren Leuten von ihren Erlebnissen zu berichten und soziale Medien mit wandteppichgroßen Fotos
zuzupflastern,aufdenensieimWellnesstempel,inderNaturoderimRestaurantmitdemteurenWein
blöd rumgrinsen. Solche Veranstaltungen werden im Zweifelsfall gern auf ein ganzes Wochenende
oder einen noch längeren Zeitraum ausgedehnt, und das nennt man dann Urlaub.
Der soziale Status eines Individuums wird in manchen Kreisen abgelesen an der Häufigkeit, Di-
stanz und Dauer der jährlichen Auszeiten und der Frequenz der Wellness- und Urlaubstage. Mitlei-
dig belächelt werden diejenigen, die nur ein Mal pro Jahr wegfahren. Schlimmstenfalls haben diese
Einfaltspinsel sogar eine verachtenswerte Pauschalreise gebucht - damit landen sie auf der untersten
Stufe der Erholungskette. Mit diesem immerwährenden Druck leben Leute, die gern verreisen. Jeder
von ihnen muss mit den eigenen Erlebnissen und Urlauben angeben können und den ultimativen Ur-
laub erleben, die Mutter aller Entspannungen finden. Die Urlaube sollten länger sein, weiter entfernt
und natürlich VERDAMMT NOCH MAL OFFENSICHTLICH ERHOLSAMER als der ihrer Zeitgenos-
sen!
Reisen und die andauernde Jagd nach Wellness kann ziemlich erschöpfend sein.
Ist das wirklich etwas, dem Sie hinterherhecheln wollen? Möchten Sie sich in diesen unwürdigen
Wettstreit begeben und dabei etwas fundamental Wichtiges aus den Augen verlieren: nämlich Ihr in-
neres Gleichgewicht?
Jeder Mensch ist anders. In den charakterlichen Ausprägungen gibt es viele Schattierungen. Gerade
was die Bereitschaft angeht, sich mit der Welt auf der anderen Seite der Türschwelle zu befassen,
unterscheiden sich Menschen stark. Und doch lassen sie sich knallhart in zwei Gruppen unterteilen:
Reisesüchtige: Ihnen fällt die Decke auf den Kopf, sobald sich der erste Sonnenstrahl zeigt und
sie immer noch nicht draußen sind. Ein Zeitraum von mehr als 2 Tagen, der nicht mit mindestens
einem Ausflug ausgefüllt wird, ist für sie ein Gräuel. Sie lieben das Unbekannte und stürzen sich
kopfüber in Abenteuer. Sie können aus dem Stegreif aufzählen, wo sie schon überall waren, und
planenimmerzudennächstenTrip.StändigsindsieaufderSuchenachLeuten,denensiezumThe-
ma Urlaub in den Ohren liegen können. Wenn sie mit ihren Gedanken alleine sind, drehen sie am
Rad. Ihre Wohnung ist für sie ein notwendiges Übel, um dort Koffer, Rucksäcke, Zelte und Flug-
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