Travel Reference
In-Depth Information
Ältere, alleinstehende Damen. Sie suchen unentwegt nach Opfern, denen sie von ihrem Leben und
ihremverblichenen Ehemannerzählen können.Bevorzugtschildernsie,wieihrManninderNach-
kriegszeit sein Imperium (ein Ungezieferbeseitigungsunternehmen in Mühlheim an der Ruhr) ge-
gründethat,dasnichtnurimmerweiterexpandierte(FilialeinBochum,1962),sonderndassichbei
nächtlichen Notfällen einen Namen gemacht hat (die legendäre Wühlmausplage von Sprockhövel,
1965).
Familien mit Kindern. Die Kinder werden entweder keine Lust haben, diszipliniert auf ihrem Platz
auszuhalten, weilsienochnichtlangeaufdemSchiffsind,oderabersiesindschlecht gelaunt,weil
sie schon lange auf dem Schiff sind. Weil sie feige sind, werden sie ihre schlechte Laune nicht an
den Eltern auslassen, sondern am schwächsten Glied der Nahrungskette dieses Tisches - nämlich
an Ihnen. Es wird mehr Essen auf Ihrer Kleidung als in Ihrem Magen landen, außerdem werden
die Kinder Sie nach Strich und Faden ausfragen und sofort anfangen zu weinen, wenn Sie sie zur
Ordnung rufen. Falls Sie keine Wahl haben und doch an einem solchen Tisch landen, sollten Sie
vom ersten Augenblick an eine bedrohliche Tarnidentität wie einen Schild vor sich hertragen: Be-
haupten Sie, dass Sie Lehrer seien. Mathe und Physik. Nur dann werden Sie Ruhe vor den Blagen
haben.
Weinkenner. Sie fahren nur in Urlaub, um anderen Leuten vorzuführen, wie viel sie von Wein ver-
stehen. Sie bestellen einen »94er Cabernet du sous pomp de gaulle, aber nur Südhang«. Sobald die
Flasche auf dem Tisch steht, wird sie ausführlich begutachtet. Nach intensivem Schnüffeln wird
gekostet und danach zum Monolog angehoben, warum an diesem speziellen Tag in diesen Brei-
tengraden gerade dieser spezielle Wein der richtige ist. Bestellen Sie Bier, trinken Sie schnell, und
wenn der Kellner nicht flink genug ist, steigen Sie schon vor dem Nachtisch auf Schnaps um. Ihre
Geschmacklosigkeit wird den Weinkenner hoffentlich davon überzeugen, dass bei Ihnen alles ver-
loren ist, und er wird Sie in Ruhe lassen.
Pseudo-Seebären. Sie laufen bevorzugt in einer Aufmachung rum, die wie ein schlechtes Kapitän-
Karnevalskostüm wirkt, aber in der sie sich auf Augenhöhe mit dem Kommandanten des Schiffes
fühlen(dersieallerdingsignoriert).EntsprechendschlechtgelauntbehandelnsiedasBordpersonal,
das sie in der Rangordnung unter sich einstufen. Auch beim Essen zieht der Pseudo-Seebär seine
Mützenichtab.ErredetineinemSeemann-Slang,denersichausschlechtenFilmenabgeguckthat,
und erzählt stundenlang von der Zeit, als er zur See gefahren ist. Damit meint er die Phase von an-
derthalb Jahren, als er Kies von Aschaffenburg nach Frankfurt geschippert hat (und Kartoffeln auf
demRückweg).ZündenSiesichinseinerGegenwarteineZigaretteaneinerKerzean,undschauen
Sie ihm dabei intensiv in die Augen.
Burn-out-Geschäftsleute. Sie sind auf eine lange Kreuzfahrt geschickt worden, weil sie dort keine
Aktienkurse abrufen können. Natürlich tun sie es trotzdem. Ihr Psychologe hat ihnen beigebracht,
dass sie über ihre Gefühle reden sollen, und daher suchen sie die ganze Zeit nach Leuten, die sich
ihr Geschwafel anhören wollen. Geraten Sie in die Fänge eines gestressten Geschäftsmannes, wird
er Ihnen endlose Referate über Work-Life-Balance halten und darüber, dass er nach seiner Rück-
kehreinganzneuesLebenanfängt.FragenSieihn,obervondemBörsencrashinNewYorkvorhin
Search WWH ::




Custom Search