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»Onkel Pista« oder »Pista bácsi« (gesprochen Pischta Batschi) - der
Ungar denkt, wie die Araber schreiben: von rechts nach links. Pista
ist die Koseform von István, Stefan, ein in Ungarn häuiger Name,
der sich auf den Reichsgründer des Landes bezieht. Im Jahr 1000
hatte der Árpáde Stefan sich vom Vatikan die Königswürde erbeten,
nachdem er kurz zuvor zum rechten Glauben übergetreten war, die
Streitigkeiten zwischen den Clans beendet und das Land geeint
hatte.
Kosenamen dienen dazu, die körperliche Annäherung auch sprach-
lich zu unterstützen: Sie dezimieren jede noch übrig gebliebene
Distanz: Wer so weit ist, dass er den anderen küsst, verwendet in
den seltensten Fällen noch den strengen Vornamen. Aus István
wird also Pista, aus Pista rasch das liebevoll verkleinernde Pisti, und
wer den anderen gut kennt, hängt schnell noch ein zärtliches »-ke«
hintendran: Pistike. Vergleichen lässt sich das allenfalls mit dem
süddeutschen oder österreichischen Sprachgebrauch - dem Wig-
gerl für den lieben Ludwig oder »das« Annerl. Das sprachliche Ver-
kleinern erniedrigt nicht, im Gegenteil: Es hebt die Betroffenen so-
zusagen in den Schoß der anderen und birgt sie in Wohlwollen und
Verbindlichkeit. Denn das ist Segen und Fluch der ungarischen
Gastfreundlichkeit: Wer geduzt, geneckt und geküsst wird, steht
automatisch in der Verplichtung, jederzeit Hilfe, Tisch und häuig
auch das Bett zu teilen. In der Praxis heißt das, dass auf dem Land
das letzte Huhn geschlachtet wird, wenn das Auto der Besucher
am Horizont auftaucht, und dass Gäste sich des Nachts in riesigen
Ehebetten verlieren, während die Gastgeber auf dem Feldbett oder
auch in der Badewanne schlafen.
Im Hinterland jenseits der Donau, wo die Sandhügel zunehmen
und die Straßen seltener werden, kann es noch passieren, dass neu
in einen Kreis aufgenommene Männer die Ehrenbezeichnung »Bá-
tyám« - mein Bruder - erhalten. Doch die dabei üblichen Trinkri-
tuale führen schnell dazu, dass aus dem großen der kleine Bruder
