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es klingt ein wenig verstaubt. Schließlich riet schon vor dreihundert
Jahren ein Konversationsexperte: »Man muss Modeworte behan-
deln wie Mode. Das bedeutet, nie der Erste sein, der sie benützt,
und nie der Letzte.«)
Konversation braucht Humor, Witz, Doppeldeutigkeiten oder
sanfte Ironie, sonst geht sie sofort ein. Eine vollkommen ernste Un-
terhaltung darf es nicht geben, sonst würde sie sich unversehens in
ein erdenschweres deutsches Gespräch verwandeln. Da sitzen nach
Meinung einer Madame de Staël alle freudlos am Tisch und philo-
sophieren stundenlang über genauso tiefgründige wie langweilige
Dinge. Vielleicht kann man es auf den verknappenden Ratschlag
bringen: bei einer Konversation alles vermeiden, worüber man erst
nachdenken muss.
Witz entsteht paradoxerweise selbst dann, wenn in einer Konversa-
tion deren Regeln unterlaufen werden. In dem Film Ziemlich beste
Freunde von 2011 wird das äußerst komisch auf die Spitze getrie-
ben. Driss, der aus einer der trostlosen Trabantenstädte rund um
Paris stammt, schert sich im Gespräch um keine einzige Anstands-
regel. Er plappert dazwischen, er lacht über moderne Kunst ge-
nauso wie über eine Operninszenierung, er brüskiert die Gäste mit
seinen politisch unkorrekten Äußerungen. Kurz und gut, er passt
so gar nicht in die Welt des schwerreichen, aber gelähmten Phil-
ippe. Diese besteht so auf Diskretion und Zurückhaltung, dass je-
der Zuschauer sich mit dem Neuling gleichermaßen unwohl fühlt.
Trotzdem ahnt auch Driss, wann er sich daneben benimmt. Die
Regeln des hölichen Umgangs sind selbst dann in uns gespeichert,
wenn sie uns fremd vorkommen. Sie sind über die Jahrhunderte
durch alle Stände diffundiert, auch wenn sie nicht in allen prak-
tiziert werden. Gerade in der Mittel- und Unterschicht gelten sie
eben als steif und verstaubt. Im Palast von Philippe geht man so
förmlich miteinander um, dass dies fast wie eine zusätzliche Läh-
mung wirkt. Man ist als Zuschauer geradezu froh darüber, wenn
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