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en Freund mit nach Frankreich genommen hat, war es für sie eine
große Erleichterung, dass er ganz selbstverständlich in das Tischge-
spräch mit einbezogen wurde. Und das, obwohl ihre Verwandten
kein Wort Deutsch und der Freund kein Wort Französisch spricht.
Mitschwimmen ist also angesagt, ohne Scheu vor den Schwimm-
lügeln!
Bei mir hat die Verinnerlichung des Gebots zur Konversations-
fähigkeit dazu geführt, dass ich in der Cafeteria der Bibliothèque
Nationale wunderbar eine Stunde lang meine Erkenntnisse über
die Konversationsmaximen des Absolutismus ausbreiten konnte,
aber durchaus meine Sprachschwierigkeiten hatte, das Pfandrück-
gabesystem für die Plastikbecher zu verstehen. Es gibt eben mehrere
französische Sprachen: die eine für die Konversation, die andere für
den Alltag.
Der Kosmopolit Ulrich Wickert beschreibt in seiner lesenswerten
Frankreich-Liebeserklärung Vom Glück, Franzose zu sein , wie er sich
in Paris einmal mit einem gutbürgerlichen Gastgeber unterhalten
hat. Einen ganzen Abend lang plauderte man angeregt. Zu allem
hatte der distinguierte Herr etwas Geistreiches beizutragen. Die
Konversation schnurrte. Und doch, so wundert sich Wickert am
nächsten Morgen, hat er über diesen Gastgeber überhaupt nichts
erfahren. Weder weiß er nun dessen Beruf noch etwas über sei-
nen Beziehungsstand, ja noch nicht einmal etwas über dessen Ge-
schmack in Kunstdingen. Wickert kommt es sogar so vor, als hätte
er nicht einmal dessen Namen genannt bekommen. Der Mann ist
ihm ein einziges Rätsel. Trotzdem hat man sich blendend verstan-
den! - Die Kunst der Konversation hat es möglich gemacht, und
gleichzeitig hat sie verhindert, dass etwas Persönliches aus dem Ge-
spräch folgt: keine Freundschaft, keine weitere Verabredung. Wenn
man sich das nächste Mal sieht, fängt man wieder von vorn an. Dies
lässt sich bedauern, aber es ist eben auch kein Beweis dafür, dass der
Gastgeber Wickert nicht mögen würde. Denn hinter dem Gebot
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