Travel Reference
In-Depth Information
Darin verborgen sind oft kaum bemerkbare Anspielungen, um den
Zuhörer zu testen. Konversation hat immer auch etwas mit Schau-
laufen zu tun. Oder despektierlich: mit ein bisschen Gockelei.
Nicht zuletzt als Vorbereitung auf das gesellschaftliche Leben wird
in französischen Schulen beispielsweise großer Wert auf die Klas-
siker gelegt. Selbst wenn Racine und Corneille kaum noch auf
den Bühnen gespielt werden, gehören sie zum festen Kanon. Die
Klassiker nicht nur zu erkennen, wie auch andere Themen der
Geistesgeschichte, sondern diese auch in eine Konversation ele-
gant einzulechten, wirkt auf unsere Nachbarn wie ein reinigendes
Schaumbad.
Sandrine, eine befreundete Halbfranzösin, hat einmal ihre Freun-
de in Paris dabei überrascht, wie die sich Karteikarten über Filme
gemacht haben, die man unbedingt gesehen haben musste, um im
Gespräch darüber zu bestehen. Das hatte nichts Streber-, sondern
höchstens etwas Gewissenhaftes.
In der Konversation zu brillieren ist gleichzeitig ein Zeichen der
Zugehörigkeit zur herrschenden Klasse, gerade in Ländern wie
England oder Frankreich, die auf eine lange Tradition der Kon-
versationskultur zurückblicken können. Allgemeinbildung ist dann
nicht mehr Selbstzweck, vielmehr wird mit ihr etwas angestrebt.
Wie früher am Hof wird man ständig beobachtet und taxiert. Des-
wegen hat man sich bei einem eleganten Abendessen in größerer
Runde am allgemeinen Gespräch zu beteiligen. Sich mit seinem
Nachbarn in ein Privatgespräch zu lüchten, gilt als äußerst unfein.
Auch mangelnde Sprachkenntnisse dürfen nicht dazu führen, sich
in einer Ecke zu verkriechen. Das wirkt unhölicher, als radebre-
chend an der Konversation teilzunehmen.
Genauso wichtig ist es konsequenterweise, alle Anwesenden bei der
Konversation einzubinden. Als Sandrine zum ersten Mal ihren neu-
Search WWH ::




Custom Search