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eine Art linksrheinischer Brockhaus: »Nicht einmal die Griechen,
trotz all ihrer Feinheit, kannten etwas Vergleichbares.«
Dabei kann man die Geschichte der Konversation durchaus im an-
tiken Griechenland und Italien beginnen lassen. Die Überlegungen
von Aristoteles und Cicero zum Gespräch sind zwar noch nicht
als eigenständige Theorie entwickelt, aber bereits eingebettet in die
umfassendere Frage nach dem Umgang zwischen Menschen. Wie
kommt man zusammen, ohne sich zu nahe zu kommen? Nur dass
man sich in Athen und in Rom eben noch nicht im Salon getrof-
fen hat, sondern bei Trink- und Essgelagen. Dass jede Gesellschaft
Regeln braucht, selbst im Gespräch, stand jedenfalls damals schon
fest.
Im Mittelalter wird zunehmend eine Bedrohung der Unterhaltung
sichtbar. Es geht nicht mehr nur darum, die eigenen Bedürfnisse
in Gemeinschaft zu zügeln und vielleicht sogar zurückzustellen.
Selbst einfache Unterhaltungen fördern nämlich nicht nur das Zu-
sammenleben, sondern bedrohen es auch: Intrige, Lüge und Verrat
sind ebenso Teil der Kommunikation. Dauernd muss man darauf
gefasst sein, selbst im Gespräch angegriffen und verletzt zu werden.
Zurückhaltung ist nicht nur geboten, um den anderen nicht zu
verletzen, sondern auch, um nicht verletzt zu werden. Denn sobald
man etwas sagt, macht man sich angreifbar. Man verrät etwas über
sich selbst, was der andere gegen einen verwenden kann. Diese Ge-
fahr bestand vor allem an den Höfen. Ein falsches Wort, und schon
verlor man die Gunst des Mächtigen. Und damit unter Umständen
sogar die ganze Existenz. Also hieß es, wachsam zu bleiben. Sich
auch im scheinbar oberlächlichsten Gespräch nicht zu verraten,
nur ja keine Blöße zu geben.
Eine Unterhaltung ist genauso schwer zu kontrollieren wie der Ge-
schlechtstrieb. Nicht zufällig fallen die beiden verdächtig gewor-
denen Umgangsformen zusammen: »conversatio« bekommt im
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