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Willen zu bekunden, bestand beispielsweise darin, nur seine um-
geknickte Visitenkarte als Zeichen persönlicher Anwesenheit ab-
zugeben. Einen Feierabend gab es für die Salongäste nicht. Denn
auch die Abendstunden unterlagen einem strengen Besuchs- und
Einladungsprogramm: Soiréen und Feste gehörten zum Tagespro-
gramm jedes Mannes und jeder Frau von Welt. Auch musste man
sich regelmäßig in einer Theaterloge oder im Club sehen lassen.
Während des ganzen Tages widmete man sich also der Konversa-
tion, der möglichst geistreichen Unterhaltung. Man kann davon
ausgehen, dass diese größtenteils aus Klatsch bestand, worüber will
man sonst auch täglich mit den gleichen Menschen reden? Die
große Kunst lag also darin, die Neuigkeiten und Skandälchen aus
dem verfeindeten Salon möglichst unauffällig und dezent in die
Unterhaltung zu mischen. Als deren Würze eben, nur ja nicht zu
viel davon.
Denn ein Gebot stand seit den Zeiten Ludwigs XIV. über allen
anderen: Die Konversation darf weder irgendwo hinführen noch
soll sie sich an einem einzigen Thema festbeißen. So gewährleistet
sie nicht nur einen pleglichen, sondern auch geplegten Umgang
miteinander. Gerade dank der allseitigen Zurückhaltung gewährt
sie den Beteiligten eine Art Seelenhygiene. Konversation ist Bal-
sam für jeden Menschen. Sie wirkt so belebend wie ein Spaziergang
nach einem reichhaltigen Essen.
Ihre Leichtigkeit entspricht dabei derjenigen, die auch der Flaneur
erlebt. Absichtslos streift er durch die Straßen, bleibt hier und dort
stehen, beobachtet, lässt sich treiben. Ohne Programm, ohne Ziel.
- Auch das Flanieren ist eine Kulturtechnik, die sich wohlwollend
vom Programm des von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit
hetzenden Touristen unterscheidet. Genau wie eine Konversation
eben nicht nur ein leichtfertiges Gespräch ist. Kein Wunder, dass
Flanieren und Konversieren in Paris besonders geplegt wurden.
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