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legen - bekanntermaßen eine warme Brutstätte für Seuchen aller
Art. Es wird von einer Bedienung in die Hand genommen, die
sich natürlich auch nicht nach jedem Messer die Hände wäscht.
Schließlich liegt das Messer auf dem Wirtshaustisch, wo schon Tau-
sende von Zechern ihre Pratzen daraufgelegt haben - im Mittelalter
soll sich die Pest auf diese Weise verbreitet haben! Nein, die einzig
hygienische Art, eine Weißwurst zu verzehren, ist das Auszuzeln!«
Dem modernen Eingeborenen, hier verkörpert von einem ge-
feierten Garmischer Schriftsteller, man könnte auch sagen Intel-
lektuellen, ist das Hygiene-Thema ganz offensichtlich eine Her-
zensangelegenheit. Dies war nicht immer so. 1858 noch war es
gewöhnlichen Bayern nicht gestattet, in ihre Häuser Bäder einzu-
bauen, weil die Obrigkeit fürchtete, es werde auf diese Weise zu viel
Holz verbrannt. Daran kann man sehen, dass Umweltschutz und
ökologisches Wirtschaften schon immer eine originär bayerische
Domäne war und gar nicht von der Partei der Grünen erfunden
worden sein kann. Damals, im 19. Jahrhundert, forderte man die
Menschen dazu auf, sich in öffentlichen Badeanstalten wie dem
Müller'schen Volksbad sauber zu halten. Je tiefer man in die Ge-
schichte eintaucht, umso fraglicher wird die Haltung der Bayern
zur Hygiene. Der Schriftsteller Ludwig Thoma etwa schreibt in sei-
nem »Agricola« über die Bajuwaren: »So wenig wie auf die äußere
Schmückung legt dieses Volk auf die sonstige Plege des Körpers
übergroßes Gewicht. Bäder werden als weichlich verachtet. Die Sei-
fe ist selten. Der Gebrauch der Zahnbürste unbekannt.«
Ludwig Thoma starb 1921 in Tegernsee. Das ist bald ein Jahrhun-
dert her. Manch ein Beobachter meint, es sei auch noch heute so,
dass der Volksstamm der Bayern nicht ganz sauber sei. Aber dies ist
eine unbewiesene Behauptung. Höchst fraglich ist des Weiteren, ob
stimmt, was R. W. B. McCormack schreibt, »dass sich die Landbe-
völkerung für hygienischer hält als die Städter, weil sie Stoffwech-
selprodukte eher eliminativ als retentiv behandelt und zum Beispiel
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