Travel Reference
In-Depth Information
Sensibilität zu missdeuten. Dies auch und vor allem in Liebesange-
legenheiten: Wenn ein bayerischer Mann einer preußischen Frau
bzw. eine bayerische Frau einem preußischen Mann sagt »I hob di
naarrisch [sic] gern«, dann darf der Herzschlag des Nicht-Bayern/
der Nicht-Bayerin sich beschleunigen - ja, er sollte es sogar -, denn
dieser etwas kompliziert erscheinende Satz hat rein gar nichts När-
risches an sich, geschweige denn, dass er von einer minderen Form
der Zuneigung spräche. Er vermittelt lediglich den Inhalt, den der
Nicht-Bayer mit den drei, im Vergleich zum Bairischen, platt klin-
genden Worten »Ich liebe dich« ausdrücken würde. Wie taktvoll
man in Bayern sein kann, verdeutlich auch das Sprichwort »Der
Hahn besteigt die Henne, damit er die Fronleichnamsprozession
besser sehen kann«. Vom Standpunkt des Kulturkritikers aus be-
urteilt sind Zweifel angebracht, ob diese Information der Wahrheit
entspricht.
Spielarten der Liebe - oder: Anpirschen, rumgan-
kerln, betäuben
Es mag überraschen, aber was die Liebe angeht, ist der Bayer außer-
ordentlich weltoffen. Die in Bad Tölz geborene und in Lenggries
aufgewachsene Marketingmanagerin Hannah beobachtet in ihrer
Heimat mit Wohlwollen eine große und immer weiter zunehmen-
de Begeisterung einheimischer Männer für junge Frauen aus Asien
und Osteuropa. Aber auch mit Frauen aus dem exotischen Norden
Deutschlands verbindet sich der Bayer gerne und zu vielen Gele-
genheiten.
In meinem Dorf, das jedes Jahr von Berlinern, Ruhrpottlern und
Ostfriesen heimgesucht wird, kam wegen einer derartigen Angele-
genheit sogar beinahe einmal das Wirtschaftsleben zum Stillstand.
Ursächlich war der dreiwöchige Sommerurlaub einer Familie aus
Hamburg, deren blonde 16-jährige Tochter den Testosteronspie-