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Natürlich nicht! Der Sinn und Hintergrund rhetorischer Fragen im
Bairischen erschließt sich nur über die mitunter komplexe inhalt-
liche Ebene.
Bei einer meiner Expeditionen in bayerische Bergwälder, gelang es
mir, mit zwei eingeborenen Holzfällern zu kommunizieren. Auch
ihnen stellte ich meine Frage nach möglichen sprachlichen »No-
gos«, wie man es heute neudeutsch gerne sagt (was ein veritabler
Bayer natürlich niemals täte). Die Männer hießen Sepp und Man-
fred, wobei man den zweitgenannten Namen auf Bairisch »Mamm-
fred« ausspricht, stellten ihre Motorsägen ab und dachten lange
nach. Dann meinte Sepp, dass er beinahe einmal einen Österrei-
cher verhauen hätte, weil der ihn einen »Piefke« genannt habe. Als
»Piefke« fühlt sich der Bayer also nicht, was aber irgendwie auch
nur logisch ist, denn »Piefke« ist die beleidigende Bezeichnung der
Österreicher für Deutsche. Aber der Bayer ist ja … genau, Sie wis-
sen schon.
Ist der Bayer in solchen handfesten Auseinandersetzungen von
Mann zu Mann ein Anhänger watschenfreudiger Direktheit, so
kann er an anderer Stelle sehr indirekt werden. Genussvoll be-
schreibt Bruno Jonas den bairischen Irrealis, der etwa zum Einsatz
kommt, wenn der eine Sprecher sich bei dem anderen erkundi-
gen möchte, ob Ersterer morgen Zeit habe: »Wenn i di frogn dat,
ob du morgn Zeit hättst, wos dadst du do nacha sogn?« (Wenn
ich dich fragte, ob du morgen Zeit hättest, was würdest du dann
antworten?) In dieser komplexen Sentenz tritt die zuvorkommen-
de Hölichkeit des Bayern vorbildlich zu Tage. Durch die doppelte
konjunktivische Absicherung gelingt es ihm, seine Frage zu stellen,
ohne das Gegenüber zu sehr in die Ecke zu drängen - und zudem
für sich im Falle einer ablehnenden Antwort eine Option offen zu
halten, die es ihm, dem Bayern, ermöglichen würde, das Gesicht zu
wahren. Der Fremde tut gut daran, die oftmals als hemdsärmelig
empfundene Art des bayerischen Landsmanns nicht als mangelnde
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