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jemand etwas von uns will, dann raus mit der Sprache! Äußerliche
Duftstoffe für Körper und Geist vernebeln den deutschen Blick:
Und so antwortete der deutsche Nachbar auf den sehr »direkten«
japanischen Hinweis folgerichtig: »Schön, dass Sie es bemerken.
Gefällt es Ihnen?«
Neben der deutschen Legasthenie im Hinblick auf indirekte Kom-
munikationsformen ist jedoch noch ein weiteres Phänomen für
zahlreiche kommunikative Missverständnisse verantwortlich: unse-
re romantische Seele. Nichts gegen Parfüm, aber wenn überhaupt,
dann auf porentief reiner Haut. So konfrontiert auch Adolph Frei-
herr Knigge im Kapitel »Über den Umgang mit sich selbst« seine
Leser mit der moralisch-rhetorischen Frage: »Und was ist Deine
ganze Garderobe von äußeren Tugenden wert, wenn Du diesen
Flitterputz nur über ein schwaches, niedriges Herz hängst, um in
Gesellschaft damit Staat zu machen?«
Der äußere Flitterputz der hölichen Anstandsregeln hat stets auf
einem reinen Herzen zu gründen. Die Hölichkeit ist in deut-
schen Landen eine im höchsten Maße moralische Angelegenheit.
Wir setzen große Stücke auf die Hölichkeit! Für uns ist sie mehr
als die Fähigkeit ein wenig Small Talk zu halten oder anderen
die Türe auf. Wir vertrauen da voll und ganz dem kategorischen
Immanuel Kant. Der traut jedem Menschen eine fundamentale
Wandlung zu, die sich vom Äußeren ins Innere vollzieht: »Da-
durch, dass die Menschen diese Rolle spielen, werden zuletzt die
Tugenden, deren Schein sie eine geraume Zeit hindurch nur ge-
künstelt haben, nach und nach wohl wirklich erweckt und gehen
in Gesinnung über.« »Von wegen!«, lässt Goethe seine rüpelhaf-
ten Studenten in Auerbachs Keller ausrufen: »Im Deutschen lügt
man, wenn man hölich ist!« Und so ist bis heute der Deutschen
Lieblingstugend die Ehrlichkeit! Neuerdings hart bedrängt von
der Authentizität. Ehrlich und echt solle man sein. Sauber im
Äußeren, sauber im Herzen.
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