Travel Reference
In-Depth Information
kunft, sondern auch Zeichen dafür, welchen hohen Stellenwert
in der antiken Welt Körperlichkeit, Sauberkeit und Gesundheit
genossen haben. Von der schambehafteten Welt des Alten Tes-
taments waren die Badehäuser jedenfalls weit entfernt. Und wer
weiß, wie sich das Verhältnis von Hygiene und Hölichkeit in
Europa entwickelt hätte, wenn Jesus sich vor dem Essen mit den
Pharisäern gewaschen hätte.
Der Apostel Lukas berichtet uns (11.37), dass Jesus von einem Pha-
risäer gebeten worden war, mit ihm zu Mittag zu essen. Doch statt
sich - wie üblich - vor dem Essen zu waschen, ging er hinein und
setzte sich ungewaschen an den Tisch. Worauf der Pharisäer seine
Verwunderung äußerte, was wiederum Jesus missiel: »Ihr Pharisäer
haltet die Becher und Schüsseln auswendig reinlich, aber euer In-
wendiges ist voll Raubes und Bosheit. Ihr Narren, meinet ihr, dass
es inwendig rein sei, wenn es auswendig rein ist?«
Würde man zu diesem Zwischenfall einen Etikette-Experten be-
fragen, stießen diesem gleich zwei Etiketteregeln ins Auge, gegen
die der Sohn Gottes verstoßen hat: Zum einen gegen die übliche
Sitte, sich vor dem Essen zu waschen, zum anderen als Gast dem
Gastgeber mit Respekt zu begegnen und diesen nicht im eigenen
Haus zu beschimpfen. Doch was auf den ersten Blick wie eine
Flegelhaftigkeit des Sohn Gottes aussieht, ist in Wirklichkeit ein
Paradigmenwechseln im Verhältnis zwischen Innerem und Äu-
ßerem. Jesus warf den Pharisäern vor, sie würden das Äußere so
hoch gewichten, dass sie das Innere gar nicht mehr wahrnäh-
men. Sie hätten das Wesentliche längst aus den Augen verloren!
Zwar wurde auch in der Antike dem vernünftigen Seelenteil, dem
Geist, eine Vormachtstellung gegenüber dem unvernünftigen See-
lenteil, dem Körper, eingeräumt, eine derart radikale Verdammnis
des Äußeren hatte jedoch eine neue Qualität. Der Sohn Gottes
hatte gesprochen! Das Äußere zählte seit diesem Tag wenig im
Search WWH ::




Custom Search