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Ganz in weiß gekleidet klopft Ganesh an die Tür eines Apartments
in einem Vorort von Mumbai. Eine Frau überreicht ihm einen
Dabba, ein silbernes Essgeschirr, bestehend aus verschiedenen klei-
nen Behältern, die mit einem Haken zusammengehalten werden.
Ihr Bruder arbeitet in einer Consulting-Firma im Zentrum der
Stadt, für ihn hat sie gekocht. Chapathi, indisches Fladenbrot, Erb-
sen und Eiercurry. Ganesh, der Dabbawala, holt das Mittagessen
jeden Morgen ab - und bringt die leeren Behälter Abend für Abend
wieder.
Das System der Dabbawalas funktioniert ohne Computer oder
technische Hilfsmittel. Es funktioniert sogar ohne Buchstaben,
denn die meisten Dabbawalas (ein Marathi-Wort, das »Dosenträ-
ger« bedeutet) sind Analphabeten. In einer Stadt, in der Züge sich
oft um Stunden verspäten, liefern sie stets um 12.30 Uhr.
An zwanzig Türen klopft Ganesh jeden Morgen. Die Essensbehäl-
ter lädt er auf sein Fahrrad, sie klappern, wenn er zum Bahnhof
radelt. Hier werden seine Boxen auf meterlange Tabletts sortiert,
verschiedene Farben, Zeichen und Zahlen auf den Dabbas stehen
für Stadtteil, Straßen und Häuser. Dutzende seiner Kollegen stehen
schon am Bahngleis, Hunderte Essensboxen zu ihren Füßen. Als
der Zug einfährt, heben je zwei Männer ein Tablett in den Waggon,
danach springen sie selbst auf. Während sich andere Passagiere in
die überfüllten Waggons zwängen, gehört einer den Dabbawalas
allein. Bei jeder Haltestelle steigen weitere Essensträger zu, irgend-
wann türmen die Dabbas sich bis unter die Wagendecke.
Den britischen Kolonialherren schmeckte das indische Essen
nicht. Doch ihre eigene Kost mit ins Ofice zu bringen, das war
ihnen peinlich. Die Tradition der Essensträger, sie beginnt als ein
Dienst für die Kolonialherrscher. 5 000 Dabbawalas arbeiten heute
in Mumbai, sie alle verdienen gleich viel Geld, Hierarchien gibt
es keine. Wer in ihr Gewerbe einsteigen will, muss ein langes Ta-
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