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Ziege. Die Frau tanzt zu Trommelmusik um einen Steinblock, wird
immer schneller, immer wahnsinniger. Ihre Augen starren ins Lee-
re, das ganze Dorf steht im Kreis um sie herum, schaut gebannt zu.
Die Frau ist eine Hexe, sie tanzt sich in Trance. Dann, so glauben
die Stammesangehörigen, ist sie mit den Göttern verbunden. Dann
erst kann die Ziege als Opfergabe geschlachtet werden.
Orissa ist einer der ärmsten und am wenigsten entwickelten Staaten der
Nation. Auf dem Land besuchen nur zwei von zehn Kindern die Schu-
le. Es gibt einen einzigen Flughafen, etwa 90 Prozent der Bevölkerung
lebt von der Landwirtschaft. Von eintausend Menschen haben neun
ein Telefon, 0,12 Zugang zum Internet. 72 Prozent der unter Dreijäh-
rigen sind unterernährt. Der Aufschwung des neuen Wirtschaftsgigan-
ten Indien ist bei den allermeisten Menschen nie angekommen.
Orissa ist der Staat der Stämme. 62 verschiedene indigene Völker
leben hier - 24 Prozent der Einwohner im Bundesstaat. Nirgends
in Indien gibt es mehr. Sie jagen, ischen, bauen an. Und doch le-
ben nicht alle in Frieden. Oft werden sie von gierigen »Landlords«
bedroht. Die selbsternannten Grundbesitzer nehmen ihnen die
Felder, machen sie zu Sklaven. Die Außenwelt bemächtigt sich der
Stämme, und sie wissen nicht genug, um sich in ihr zurechtzuin-
den. Sie verkaufen zwanzig Kilo Erdnüsse für umgerechnet fünf
Euro. Sie stellen Besen oder Kleidung her, die schon in der nächst-
größeren Stadt für das Zehnfache verkauft werden. Ohne zu wis-
sen, was sie tun, unterzeichnen sie mit ihrem Fingerabdruck, dass
sie ihr Land verschenken.
Alles ist anders in ihrem Leben. Zahnbürsten kennen sie nicht, sie
kauen auf Wurzeln. Spielzeug gibt es nicht, die Kinder bewerfen
sich mit Klettplanzen, die sich in ihren Haaren verfangen. Statt
Fernsehen und Bücher gibt es Geschichten, die die Stammesältes-
ten erzählen. Die Frauen haben Oberarme wie die Schwimmerin-
nen bei den Olympischen Spielen: Sie arbeiten hart, jedes Haus
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