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genommen auch in Europa unfein. In diesem Fall sollte man eher
auf die Toilette ausweichen.
Die Chinesen haben nicht per se etwas gegen Taschentücher, sie
existierten schlicht und einfach lange nicht. Noch vor 15 Jahren
waren Taschentücher in den Supermärkten kaum erhältlich. Das
hat sich längst geändert, und in weiteren 15 Jahren werden viel-
leicht nur mehr wenige Chinesen bei Tisch vor sich hin schniefen,
um sich den Toilettengang zu ersparen, sondern stattdessen einfach
ins Tuch schnäuzen, und fertig.
Irgendwann kommt eine Obstplatte, dann steht der Gastgeber auf.
Das Essen ist beendet. Wie auf ein Kommando erheben sich alle
und verlassen den Raum. Ich merke das natürlich als Letzter. Scha-
de, ich hätte schneller essen sollen.
Minuten später folgen wir dem Gastgeber im Konvoi zu seinen Fel-
dern. Vor blühenden Korn- oder Mohnblumen wird gehalten und
für Kameras posiert. Irgendwann stehen wir dann vor dem Nichts.
Fruchtbare Erde, gut, aber sonst nichts. Der Geschäftsmann prä-
sentiert seine Idee: Er vermietet Bodenparzellen an wohlhabende
Stadtbewohner. Jeder Gartenabschnitt ist mit winzigen Kameras
bestückt. Über das Internet können die Pächter dann bequem vom
Schreibtisch aus dem eigenen Gemüse beim Wachsen zusehen und
die Bewässerungsanlage steuern. Unser Gastgeber ist ein indiger
Geschäftsmann, der gleichsam einen modernen Kleingartenverein
gegründet hat und damit einen aktuellen Trend in China aufgreift.
Das Vertrauen in staatliche Gesundheitskontrolle von Lebensmit-
teln ist begrenzt. Die Geschäftsidee wurde aber vermutlich auch
von einem Computerspiel belügelt, in dem Saatgut virtuell ge-
planzt, gegossen und geerntet wird. Die Chinesen sind derzeit ver-
rückt danach, jeder scheint es zu spielen. Kultivierte Chinesen mit
dem entsprechenden Kleingeld verlegen das »Bauer spielen« nun
in die Wirklichkeit - und verschaffen sich damit gleichzeitig eine
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