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weg. Wer die Sitten anderer studieren möchte, folgere ich daraus,
der sollte seine eigenen nicht zum Maßstab erheben.
Eine wunderliche Sitte
Bei den Chinesen besteht die Begrüßung per Hand weniger aus
einem Schütteln als vielmehr aus einem sanften Händedruck. Ein
starkes Anpacken gilt als unfein. Der Händedruck wurde vom
Westen übernommen und war anfangs nicht unumstritten. Als
»wunderliche Sitte« wertete ihn im Jahr 1937 noch der chinesi-
sche Schriftsteller Lin Yutang. Er könne, schrieb er damals, »kei-
nesfalls verstehen, wie die sonst so fortschrittlichen Europäer die
barbarische Sitte des Händeschüttelns bis zum heutigen Tage haben
aufrechterhalten können. Jedenfalls bleib ich bei der altehrwürdi-
gen Etikette des Himmlischen Reiches und schüttle mir selber die
Hand, wenn ich jemanden treffe oder mich von ihm verabschiede«.
Lin Yutang führte in seiner Argumentation gegen die westliche Be-
grüßungsart hygienische Gründe an:
»Die Fremden in Schanghai erklären immer wieder, unsere Kup-
fermünzen seien die reinsten Sammelstellen für Bazillen, und
nehmen niemals eine in die Hand. Jedem Tom, Dick oder Harry
auf der Straße aber geben sie die Hand. Das ist die Höhe der
Unlogik, denn wie soll man wissen, ob besagter Tom, Dick oder
Harry nicht soeben solche wie Gift gemiedenen Kupfermünzen in
der Hand gehabt hat?«
Lins Sorge vor der Weitergabe von Bakterien ist aus heutiger Sicht
bemerkenswert, berichteten doch ungefähr zur selben Zeit west-
liche Reiseautoren von ausgeprägtem Schmutz und Gestank in
chinesischen Städten. Sie förderten im Westen das Bild eines un-
hygienischen Chinesen, was natürlich nicht sonderlich feinfühlig
war. Das Land lag nach Jahrzehnten der Ausbeutung durch fremde
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