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unsympathisch und wirken auf mich arrogant und uninteressiert.
Ich bin verwirrt, schließlich ging die Einladung zu diesem Abend-
essen von ihm aus. Er hätte sich zudem nicht die Mühe machen
müssen, mich persönlich durch den Abend zu führen. All das werte
ich als die größtmögliche Wertschätzung. Und dennoch fällt die
Begrüßung derart herablassend aus? Bin ich unzulänglich geklei-
det? Beging ich einen unbewussten Fauxpas?
Im Laufe des Abends gewinne ich den Eindruck, dass letztlich alles
in Ordnung ist. Kevin erzählt leidenschaftlich von der Huaiyang-
Küche und lässt exquisite Gerichte auffahren. Der Umgang ist
freundlich, um nicht zu sagen jovial. Ich schlage den Wein aus und
frage nach einem traditionellen Getränk. Der Kellner bringt ein
Glas mit einer warmen, milchartigen Flüssigkeit, deren neutraler
Geschmack schwer einzuordnen ist. Es ist Saft aus der Yams-Wur-
zel, angeblich sehr gesund und ein Freund der Libido. Es folgt ein
unvergesslicher Abend.
Was war bei der Begrüßung das Problem? Gab es überhaupt eines?
Scheinbar ignorante Handshakes wie in Nanjing werde ich auf der Rei-
se mehrmals erleben. Der Grund dafür ist durchaus bemerkenswert.
In Europa wie in China dient das Händeschütteln als Ausdruck von
Respekt und Ehrerbietung. Unterstützt wird es im Westen durch
Augenkontakt, der mit Offenheit und Vertrauen in Verbindung
gebracht wird. Ein ebensolcher Augenkontakt wird von manchen
Chinesen hingegen als unangenehm empfunden. Verbunden mit
einer angedeuteten, manchmal kaum wahrnehmbaren Verbeugung
richten sie ihre Augen beim Händeschütteln indes nach unten.
Eine Geste, die als zusätzlicher Ausdruck der Wertschätzung ver-
standen werden sollte.
Beide Varianten verfolgen im Prinzip dasselbe Ziel, nämlich eine
Hölichkeitsbekundung. Unterschiedlich ist »nur« der Lösungs-
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