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vorkaute und als Brei in den Mund ihres Kleinkindes schob. Bei
einigen Primaten kann man das heute noch beobachten. Und wenn
die Nahrung gerade mal knapp ist, dann pressen die Affeneltern
ihre Lippen auf den Mund ihrer Jungen, um sie zu beruhigen.
Wem das zu archaisch ist, dem liefert die moderne Biologie er-
schöpfende wissenschaftliche Erkenntnisse über Menge, Art und
Beschaffenheit der vielen Botenstoffe, die durch das Küssen in die
Umlaufbahnen des Körpers geschickt werden - mit so romanti-
schen Namen wie »Kopuline«, einem weiblichen Vaginalhormon,
das beim Mann den Testosteronspiegel anhebt. Die Lippen, lernen
wir, sind die Körperregion mit den meisten sensorischen Neuro-
nen, und fünf Hirnnerven leiten Signale nicht nur von dort, son-
dern auch von den Wangen, der Zunge und der Nase an das Ge-
hirn weiter. Dort regt der Kuss das ventrale Tegmentum und den
Nucleus caudatus an - zwei Regionen der rechten Hirnhälfte. Puls
und Blutdruck steigen, die Pupillen weiten sich, die Atmung wird
tiefer und das rationale Denken lässt nach (siehe oben: Sokrates
hatte doch recht!). Britische Wissenschaftler fanden heraus, dass
man beim Küssen 112 Muskeln im Körper anspannt, zusätzlich zu
34 Gesichtsmuskeln. Als wichtigster beteiligter Muskel wurde der
Orbicularis oris identiiziert: Er spitzt die Lippen. Auch dass 80
Prozent der Küssenden ihren Kopf beim Ansetzen der Lippen nach
rechts neigen, hat die Wissenschaft vermessen und mit der Laterali-
sierung von Hirnfunktionen in Verbindung gebracht. Zwei bis drei
Kalorien verbrennt so ein leidenschaftlicher Kuss pro Minute - da
muss es ganz schön heiß geworden sein beim Massenküssen, mit
dem sich 2007 15 000 Ungarn in das
Guiness-Buch der Rekorde
küssten. Leider wurde ihnen der Rekord schon im nächsten Jahr
von den Bosniern abgejagt.
Wie angemessen ist das Küssen noch in einer Zeit, die sich vor
der nächsten großen Grippe-Pandemie fürchtet und in der Lippen-
bekenntnisse einen schlechten Ruf haben? Die zartgliedrig schma-
