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nennt man das Tall Poppy Syndrome: Der Kopf, der zu weit über die Masse
herausragt, wird abgeschlagen.
Nur beim Sport gibt es Ausnahmen. Sporthelden dürfen schon einmal über
die Stränge schlagen und angeben. Der Sport vereint die Australier. Über Sport
kann jeder reden, ganz gleich, welcher Hautfarbe oder Kultur, oder welche Er-
ziehung und Ausbildung man genossen hat, ganz gleich wie alt man ist. Ob
man mit Freunden zusammensitzt, auf einer Party zum ersten Mal jemandem
vorgestellt wird oder am Arbeitsplatz mit den Kollegen am Eiswassercontainer
steht, über Sport kann man reden. Religion und Politik sind dagegen als Ge-
sprächsthema tabu. Zu leicht könnte man jemanden kränken. Beim Sport darf
man begeistert zur einen oder anderen Mannschaft halten, doch das Wichtigste
ist »a good game«, ein gutes Spiel. Der Sport, so meinte der australische Lite-
raturnobelpreisträger Patrick White, sei der kleinste gemeinsame Nenner, auf
den sich die Australier einigen könnten.
Doch er hat eine wichtige Funktion in der australischen Gesellschaft. Bei
internationalen Spielen können sich alle Einwohner Australiens als Australier
fühlen und ihr Team anfeuern. Sport verbindet in Schulen, an Universitäten
und an Arbeitsplätzen, wo vor allem Mannschaftssport gefördert wird. Im Som-
mer sieht man am Wochenende fast auf jedem großen Sportplatz Cricket Teams
in weißer Kluft, die begeistert stundenlang in der brennenden Sonne herumste-
hen. Jeden Samstag gibt es Staus auf den Straßen, weil Eltern ihre Kinder zu
zahlreichen Wettkämpfen und Spielen kreuz und quer durch die Gegend fah-
ren. Millionen Frauen und Mädchen spielen Netball und Fußball. Junge Män-
ner holen sich bei allein vier verschiedenen Fußballarten, Rugby Union, Rug-
by League, Australian Rules Football und dem europäischen Fußball, blaue Fle-
cken. Am Strand rennen morgens die Fitnessfanatiker. Tausende stürzen sich
begeistert in die Fluten, um zu schwimmen, zu surfen oder zu tauchen. Andere
lernen ebenso begeistert Kampfsportarten, die mit den Einwanderern aus Asi-
en nach Australien gekommen sind. Auf dem Lande sind Tausende Kinder in
Ponyclubs organisiert. Am Wochenende gibt es Rodeos und Campdrafts . Bei
den Olympischen Spielen in Sydney 2000 hatten sich weit mehr als die erfor-
derlichen 40 000 Freiwilligen gemeldet. Viele von ihnen gaben ihre jährlichen
Urlaubstage auf, um bei der Olympiade dabei sein zu können.
Das Streben der Australier nach einer egalitären Gesellschaft ist nicht nur
Theorie. Der Mensch zählt, weniger der äußere Rahmen. Am Strand, im
Schwimmverein, in der Elternversammlung gilt, wer sich einsetzt und zum
Wohle aller beiträgt. Ob dieser Mensch in seinem Privatleben Toiletten putzt
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