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Äußerung eines Politikers gemeldet, ohne groß zu fragen, ob sie von Bedeutung
ist. Man holt nur schnell noch eine weitere kurze Äußerung der Gegenseite ein
und ist fertig. Im kleinen Canberra wird das besonders deutlich. Dort arbeiten
und leben Politiker und Journalisten ständig Seite an Seite. Ein Beispiel: Bei ei-
ner Rede des australischen Außenministers ging es um die Revolution in Ägyt-
pen. Die anwesende ausländische Presse fragte nach der Position Australiens in
dieser Situation. Wollte man die Demonstranten unterstützen? Gab es Proteste
gegen die tödlichen Angriffe des Militärs? Wie schätzte der Außenminister die
Moslembruderschaft ein? Der Minister antwortete, die Auslandskorresponden-
ten machten sich interessiert Notizen. Die örtlichen Canberra-Korresponden-
ten begannen unruhig auf ihren Stühlen herumzurutschen. Endlich kam einer
von ihnen zu Wort: »Was sagen Sie dazu, dass ein Parteikollege Sie eine Rat-
te genannt hat?« Die Auslandskorrespondenten sahen verwirrt drein, aber der
Minister hatte die Frage offensichtlich erwartet und lieferte eine vorbereitete
abwiegelnde Antwort, die dann prompt in den nächsten Nachrichtensendungen
Schlagzeilen machte. Nur der Kollege der Canberra Times berichtete seinen Le-
sern über die Ansichten des Außenministers zu den Ereignissen in Ägypten.
Da Zeitungen mit Nachrichten kein Geld mehr machen, greifen sie mehr und
mehr auf politische Kommentatoren zurück, die jeweils nach politischer Aus-
richtung des Blattes Regierungsvorhaben bejubeln oder kritisieren. Eine Alter-
native bieten einige Programme des nationalen Senders ABC, dessen Journalis-
ten sich noch erlauben können, auch unangenehme Fragen zu stellen und Re-
gierung, Opposition, mächtige Verbände und Wirtschaftsinteressen zu kritisie-
ren. Viele Politiker ordnen die kritische Haltung des ABCs als »links« ein und
drohen dem Sender mit dem Entzug von Steuergeldern. Auch der multikultu-
relle Sender SBS gerät wegen kritischer Berichte unter Beschuss. Community-
sender müssen um ihre Grants , Steuergelder für bestimmte Zwecke wie Sen-
dungen für Behinderte, bangen. Doch es gibt auch gegenläufige Entwicklungen,
wie die Erstarkung von Onlinemedien, wie Crikey.com oder The Monthly oder
The Conversation und die erfolgreiche Einführung eines australischen Ablegers
des britischen The Guardian , für die hochangesehene australische Journalisten
und Akademiker schreiben.
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