Travel Reference
In-Depth Information
Ned Kelly und seine Jungs begannen, Banken zu überfallen, dabei sollen sie die
Schuldbriefe der kleinen Farmer verbrannt haben. Einer armen Witwe, so wur-
de erzählt, habe Ned Kelly Geld gegeben, weil sie die Zinsen für ihr Stück Land
nicht mehr zahlen konnte. Sie überreichte das Geld an den wütenden Bankdi-
rektor, der lieber das Land beschlagnahmt hätte. Doch es sollte für ihn noch
schlimmer kommen: Auf dem Weg zurück zur Bank wurde der Direktor beraubt
- von Ned Kelly.
Kelly wurde zum Robin Hood Australiens. Ganze Polizeitrupps wurden nun
nach ihm ausgesandt. Ned Kelly, der als kleiner Junge begeistert Ritterge-
schichten gelesen hatte, ließ sich und seinen Freunden schwere Rüstungen aus
Pflugscharen schmieden. Doch als er und seine Gang von Dutzenden Polizis-
ten bei Glenrowan gestellt wurden, nützte ihm das wenig. Bei einem Versuch,
seinen Bruder und seine Freunde zu retten, wurde Ned Kelly angeschossen.
Schwerer Blutverlust schwächte ihn. Doch er gab nicht auf. Wankend und müh-
sam mit der linken Hand schießend bewegte er sich auf den Polizeikordon zu.
Aus dem dichten Morgennebel erschien den Polizisten eine furchterregende,
riesige, schwarze, feuerspeiende Gestalt: Ned Kelly in seinem Helm aus schwar-
zem Eisen und einem langen Staubmantel über seiner kiloschweren Brustrüs-
tung. Dieses Bild wurde später in zahlreichen australischen Gemälden, in Bü-
chern, Balladen und Filmen verewigt und zum Mythos stilisiert. Es dauerte eine
Weile, bis die Polizisten Ned Kelly erkannten. Sie schossen ihn in Arme und Bei-
ne. Er wurde mit 23 Schusswunden festgenommen. Sein Bruder Dan und seine
Freunde starben im Kugelhagel.
Einige Monate später wurde Ned Kelly von einem englischen Richter zum
Tode verurteilt. Das Dokument, das er bei seiner Verhaftung bei sich hatte und
in dem er eine unabhängige Republik Nordost Victoria ausrief, durfte er nicht
verlesen. Für das britische Establishment der Kolonie war er ein Räuber und
Polizistenmörder, für viele andere Australier war er ein Held. »Die Menschen
bewunderten seinen Mut und wie er die staatlichen Autoritäten an der Nase
herumführte«, meint Historiker Waterhouse. »Seit Bestehen der ersten Sträf-
lingskolonie haben die einfachen Leute den Gesetzen und Behörden Australiens
misstraut. Sie sahen, dass diese Gesetze nicht für jeden galten. Die Gesetze wa-
ren nach Ansicht der kleinen Leute ein Instrument der herrschenden Klasse, die
damit ehemalige Sträflinge und freie irische Siedler gleichermaßen unterdrück-
te.«
Über 30 000 Anhänger unterschrieben ein Gnadengesuch für Kelly. Am Tag
seiner Hinrichtung versammelten sich 4000 Menschen vor den Toren des Ge-
Search WWH ::




Custom Search