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gen Augenbrauen und schwarzem Bart und entschlossen, sich »eher hängen zu
lassen, als je wieder ins Gefängnis zu gehen«. Was er noch nicht über Vieh-
diebstahl und Banküberfälle wusste, hatte er im Gefängnis gelernt. Ned wur-
de professioneller Viehdieb. Sein kleiner Bruder Dan und zwei Jugendfreunde
halfen ihm dabei. Sie waren jung, fit, abgehärtet und kannten sich im Busch
aus, waren ausgezeichnete Reiter, gute Schützen und Viehtreiber und meister-
hafte Veränderer von Brandzeichen. Im Gegensatz zur tief verachteten Polizei
hatten sie zahlreiche Freunde im Grenzgebiet zwischen den Kolonien. Das Ge-
schäft florierte. Bald häuften sich die Beschwerden der bestohlenen Squatters .
Sie beschwerten sich bei den Behörden. In den Zeitungen forderten sie erzürnt
ein härteres Durchgreifen.
Die jungen Viehdiebe hingegen genossen ihren Ruhm. Sie zogen sich schick
an, mit hochhackigen Stiefeln und Halstüchern, auf die sie »4711 Kölnisch Was-
ser« tupften, ein ganz begehrter Männerduft zu dieser Zeit. Die Krone setzte ein
hohes Kopfgeld auf Ned und die Mitglieder seiner Kellygang aus. Neds Mut-
ter und viele seiner Freunde wurden verhaftet und oft monatelang festgehalten.
Viele verloren in dieser Zeit ihr Land, aber keiner verriet die Kellys.
Vier als Goldsucher getarnte Polizisten machten sich schließlich auf, Ned
Kelly zu finden. Die Polizisten schlugen am Stringybark Creek ihr Lager auf.
Man kann die Stelle am Ufer eines Baches noch heute sehen: eine kleine sump-
fige Lichtung an einem von dichten Farnen fast zugewachsenen Bach, umgeben
von riesigen, schlanken Eukalyptusbäumen, deren Rinde sich in langen, bunten
Streifen von den Stämmen pellt. Hier entdeckten die Kellys ihre Verfolger. Es
kam zu einer Schießerei, in deren Verlauf drei Polizisten starben. Was genau
passierte, ist bis heute ungeklärt.
Doch der überlebende Polizist klagte Ned Kelly an, seine Kollegen ohne Not
ermordet zu haben. Die Gemeinde der begeisterten Kellyfans akzeptiert das
nicht. Eine davon ist die lebhafte Historikerin und ehemalige Bürgermeisterin
von Greta, Nanette Green, die mir Kelly Country zeigte. »Ned Kelly war ein wil-
der junger Mann, ein rebellischer Ire, der Anstoß daran nahm, wie seine Fami-
lie, besonders seine Mutter, von der Polizei behandelt wurde. Ich glaube nicht,
dass er die Polizisten in Stringybark erschießen wollte. Es war ein Kopfgeld auf
ihn ausgesetzt, sie wollten ihn tot oder lebendig. Und die Polizei hat zuerst ge-
feuert. Er hat sich verteidigt.«
Die Kellygang wurde zu Gesetzlosen erklärt, das Kopfgeld wurde auf ein
wahres Vermögen erhöht. In den Pubs auf dem Lande und selbst in den Ar-
beitervierteln von Melbourne wurden die Kellys mit langen Balladen besungen.
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