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Unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen kommt es in vielen Familien zu
gewalttätigen Auseinandersetzungen. Frauen und Kinder leiden besonders dar-
unter. Eigentlich sollte es das alles nicht mehr geben. 2007 hatte die australi-
sche Regierung eine Notmaßnahme ausgerufen und Soldaten, Polizisten, Ärzte,
Krankenschwestern und Sozialarbeiter in die abgelegenen Wüstengemeinden
geschickt. Viele der Freiwilligen, die sich dazu meldeten, waren entsetzt, als sie
sahen, wie andere Australier lebten. Der Leiter der Aktion, Generalmajor David
Chalmers, war im Interview zutiefst berührt. »Das sind ja hier Zustände wie in
der Dritten Welt, mitten in unserem reichen Land.«
Die Politiker in Canberra waren durch einen schockierenden Bericht über die
sozialen Zustände in vielen Aboriginegemeinden vorübergehend aus ihrer Apa-
thie geweckt worden. Der damalige konservative Premierminister John Howard
wollte hart durchgreifen. In allen Aboriginegemeinden wurde ein Alkoholver-
bot eingeführt. Statt Bargeldzahlungen an die Aborigines wurden Lebensmittel-
scheine ausgegeben, einlösbar in den Siedlungsläden oder den Supermärkten
des nächsten Orts. Gleichzeitig versprach die Regierung, Arbeitsplätze in der
Mining -Industrie oder dem Tourismus zu schaffen. Im Gegenzug mussten die
Aborigines Teile ihrer Selbstständigkeit aufgeben. Bis heute.
Eine der Malerinnen von Yuendumu, die nicht beim Namen genannt werden
möchte, ist darüber zutiefst verletzt. Jeden Morgen sorgt die Frau dafür, dass
die Kinder ihrer Tochter und ihrer Schwester sich waschen, anziehen und früh-
stücken. Dann bringt sie sie zur Schule, holt sie nachmittags wieder ab, über-
wacht die Schulaufgaben, kocht das Abendessen. Dazwischen malt sie im
Kunstzentrum ihre weltweit angesehenen Bilder, die auch weltweit verkauft
werden.
Zuhause kann sie nicht arbeiten. Ihr Haus ist, wie so viele, überfüllt. Die Tra-
dition verbietet ihr, auch entfernten Verwandten die Unterkunft zu verweigern,
selbst, wenn sie das Haus ruinieren. Auch das Geld, das sie durch ihre Kunst
verdient, teilt sie. Doch es schmerzt sie, dass sie nicht frei entscheiden kann, wie
viel Geld sie von der Bank abnehmen darf. »Ich kann nicht einfach hingehen
und in der Stadt Spielzeug für die Kinder oder Kleider kaufen. Ich muss immer
fragen. Dabei mache ich alles richtig. Ich lebe gesund, trinke nie, ich kümmere
mich um alle. Ich finde es falsch, dass man mich und andere Frauen wie mich
bestraft, weil andere verantwortungslos handeln.« Die Interventionsregeln für
die Ureinwohner sind eindeutig diskriminierend, denn sie gelten nicht für alle
Australier. Viele Organisationen protestieren dagegen. Aber es gibt auch ande-
re, vor allem Frauen, die mir hinter vorgehaltener Hand sagten: »Ich bin froh,
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