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Flachbauten ohne Fensterglas, umgeben von Plastiktüten, Dosen, Lumpen, ver-
faulenden Lebensmitteln und streunenden Hunden. Im Schatten einer Hütte
sitzen ein paar ältere Männer und Frauen und trinken - nicht weit von einem
Schild, das Yuendumu als alkoholfreie Gemeinde propagiert. Zwei kleine Kin-
der mit laufenden Nasen spielen im Dreck neben einem Haufen schmutziger
Wegwerfwindeln. Es stinkt nach faulendem Fleisch und Kot.
Viele Menschen in Yuendumu arbeiten hart, um ihr eigenes und das Leben
ihrer Mitmenschen zu verbessern, doch es gibt einfach nicht genug geeignete
Häuser für die großen Familien, es gibt zu wenige Arbeitsplätze, zu viel kulturel-
le Entwurzelung und Verzweiflung, zu viele Drogen, zu viel Alkohol. Zwischen
den gestressten Familien, die traditionell nie so eng aufeinander gelebt hätten,
gibt es immer wieder Spannungen. Über hundert Frauen und Kinder mussten
vorübergehend vor der Gewalt aus der Siedlung fliehen.
Ein junger Mann aus einer Familie hatte einen Mann aus einer anderen Fa-
milie in einer größeren Schlägerei unter Alkoholeinfluss erstochen. Er wurde
verhaftet und wegen Totschlags zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Die Fa-
milie des Toten kann dies nicht akzeptieren. Sie fordert Payback , die rituelle
Bestrafung des Täters und seiner ganzen Familie. Dabei würde der Täter von
der Familie des Opfers mehrfach mit Speeren in den Oberschenkel gestochen.
Auch andere Familienmitglieder könnten körperlich bestraft werden. Einige El-
ders fordern die Rückkehr zu diesen alten Traditionen und dem damit verbun-
denen eigenen Rechtssystem. Sie sind überzeugt, dass danach wieder Frieden
zwischen den Familien einkehren werde. Doch junge Mitglieder beider Fami-
lien, vor allem Frauen und Kinder, haben die örtliche Polizei um Schutz vor
Payback -Aktionen gebeten. Sie wollen nicht für etwas bestraft werden, an dem
sie völlig unbeteiligt waren. Der zuständige australische Richter hat alle Betei-
ligten gewarnt, dass es sich bei einer rituellen Bestrafung nach australischem
Recht um schwere Körperverletzung handeln würde. Die von einigen Elders
propagierte »Rückwendung zu alten Traditionen« könnte weitgehende Konse-
quenzen mit sich bringen. So könnte dies zum Beispiel auch die Rückkehr zu
Zwangsheiraten bedeuten, die von einigen Männern in Vergewaltigungsprozes-
sen als Verteidigung angeführt wurden. Mehrere Frauen in Zentralaustralien
und Westaustralien, mit denen ich gesprochen habe, waren von ihren Famili-
en schon als junge Mädchen »geeigneten Partnern«, meistens älteren, einfluss-
reichen Männern, versprochen worden. Einige hatten sich mit ihren Partnern
arrangiert, andere litten unter ihren Ehen, die sie nicht gegen den Willen ihrer
Familien verlassen konnten.
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