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ti« und »Papa«, beides strenge Adventisten, waren in den 1950er Jahren nach
Australien gekommen.
Mutti erzählte Pauline später, sie hätte Gott versprochen, sechs Aborigine-
kinder großzuziehen, weil er sie von einer schweren Krankheit geheilt habe.
Pauline wuchs mit deutschen Märchen und Liedern, deutscher Weihnacht und
deutschem Essen auf. »Ich liebe mein Schnitzel und Sauerkraut und warmen
Kartoffelsalat«, lachte sie, »wenn ich traurig bin, dann gehe ich manchmal ins
Spezialitätengeschäft und kaufe mir Sauerkraut und ›Blutwurscht‹ und alle die-
se Dinge.«
Die australische Ureinwohnerin wuchs als Deutsche in Australien auf - in ei-
ner Zeit, als Deutsche dort nicht gerade beliebt waren. Mit ihrer Familie muss-
te sie sich ab und zu wüste Beschimpfungen gefallen lassen. Dann kam Pauline
in die Schule und wurde dort prompt als Aborigine angegriffen. Erst dadurch
entdeckte Pauline langsam ihre eigene Identität. Sie begann sich für ihre eigene
Kultur zu interessieren, wagte das aber nicht öffentlich zu tun, da sie fürchtete,
dass ihre strenge Adoptivmutter es ihr übelnehmen würde. Pauline lernte flei-
ßig, wurde Krankenschwester und belegte gleichzeitig Kurse über die Geschich-
te und Kultur ihres Volkes. Sie begann ihre leibliche Familie zu suchen - gegen
den Willen ihrer Pflegeeltern.
Im Alter von 26 Jahren stand sie zum ersten Mal wieder vor ihrer leiblichen
Mutter. Ihr Gesicht leuchtete, als sie mir von dieser Begegnung erzählte. »Als
ich meine Mami traf, da hat sie mich einfach an sich gedrückt und geweint und
geweint. Sie war so schön. Ich stand da einfach nur wie so ein Klotz. Und dann
sagte ich »Mami« und sie sagte »meine kleine Tochter«, und es war so schön.
Es war herrlich, meine Familie zu treffen. Es war die Erfüllung aller meiner
Wünsche. Ich sah meine Mutter, sah ihr Gesicht. Ich hörte ihre Stimme. Und
ich fragte sie, warum sie mich weggegeben hatte, und ich hörte ihre Geschichte
und die Geschichten meiner Geschwister. Sie hatten ein hartes Leben. Ich dach-
te, ich hätte es schwer gehabt, aber sie hatten es auch schwer. Aber sie hatten
überlebt. Und das war für mich absolute Schönheit, und ich freute mich so, sie
zu sehen.«
Doch die Erfahrung war gleichzeitig belastend. Paulines Mutter war schwer
krank. Ihr Bruder kämpfte mit Depressionen, Drogen und Alkohol. Paulines
deutsche Adoptiveltern verstießen ihre Pflegetochter. Sie konnten ihre Sehn-
sucht nach ihrer eigenen Familie und ihrer Identität als Aborigine nicht verste-
hen. Ein Jahr danach starb Paulines leibliche Mutter, ihr Bruder kurz danach.
Pauline verfiel in Depressionen und versuchte sich mehrmals das Leben zu neh-
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