Travel Reference
In-Depth Information
School of the Air
Ich sitze in einem kleinen Raum mit mehreren Computer-Bildschirmen und
Keyboards. Neben mir spielt Lehrerin Samantha Newnham auf einem elektro-
nischen Klavier die Tonleiter »C, D, E ...« Der Schülerchor singt mit. Doch die
Kinder sitzen nicht in einem Klassenzimmer, sondern vor ihren Computern zu-
hause, oft Hunderte Kilometer weit entfernt von der Schule. Wir sehen sie auf
den Bildschirmen vor uns. Sie singen, machen begeistert Lockerungsübungen
mit Armen und Beinen. Manchmal kommt ihr Gesang vom Satelliten um eine
Sekunde verzögert bei uns an. Das bringt das Chorgefüge durcheinander, aber
daraus macht sich niemand etwas. Die Kinder üben für die seltenen Gelegenhei-
ten, an denen sie einmal wirklich für eine Woche zusammensein können. Dann
reisen sie mit ihren Eltern von ihren Farmen an, um in Hay, einem kleinen Ort
im südlichen New South Wales, zu übernachten, gemeinsam Sport zu machen
und wichtige Examen abzulegen.
Da Australien so riesig ist, liegen viele Farmen Hunderte Kilometer weit vom
nächsten Ort entfernt. Einkäufe und Arztbesuche müssen sorgfältig geplant und
organisiert werden. In der Regel kaufen die Bewohner abgelegener Farmen nur
jeden Monat einmal ein. Viele fliegen mit dem eigenen Flugzeug zum nächs-
ten Ort oder fahren stundenlang mit dem Allradfahrzeug über Staubpisten und
schlechte Straßen. Schulpflichtige Kinder sind oft täglich stundenlang mit dem
Bus unterwegs, wohnen während der Woche bei Verwandten in der nächsten
Stadt oder müssen Internate besuchen.
Für Grundschulkinder gibt es als Alternative die School of the Air . Die
deutschstämmige Lehrerin Adelaide Miethke hatte 1946 die Idee, Kinder im
Outback über Funk zu unterrichten. Viele Farmen hatten einfache Funkgeräte,
um in Notfällen den Flying Doctor Service , die fliegenden Ärzte des Outbacks ,
benachrichtigen zu können. Dort, wo es keinen Strom gab, wurde das Funk-
gerät vom Schüler mit Fahrradpedalen betrieben, eine Erfindung des ebenfalls
deutschstämmigen Australiers Alfred Herrmann Traeger.
Lehrerin Trish McGufficke erinnert sich noch an die Zeit vor Internet, Video
und Webcams. »Ich war bei der Umstellung 2004 dabei. Vorher wurde noch al-
les über Funk gemacht. Die Schüler konnten uns und teilweise einander hören,
aber man konnte nichts sehen. Heute haben wir interaktives Video, und das hat
den ganzen Unterricht verändert.« Beim Unterricht per Webcam fällt mir auf,
dass die Kinder mit echtem Enthusiasmus aufmerksam bei der Sache sind. Sie
Search WWH ::




Custom Search