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solange sie es sich finanziell leisten können, in Sydney bleiben. So dehnt sich
die Stadt immer weiter aus; sie erstreckt sich inzwischen fast 120 Kilometer an
der Küste entlang und über 70 Kilometer Richtung Inland bis zum Fuß der Blue
Mountains. Die einst von Sträflingen gegründete Stadt hat sich ohne viel Pla-
nung entwickelt. Altes wird ständig abgerissen und durch Neues ersetzt. Heute
kann man nur noch vereinzelte alte Sandsteinbauten aus der Frühzeit entde-
cken. Auch die verwinkelten alten Villen und die kleinen, oft dunklen, aber küh-
len Cottages der Jahrhundertwende mit ihren schmiedeeisernen Gittern und
Erkern im Zuckerbäckerstil verschwinden allmählich. In den besseren Voror-
ten und Straßen werden sie durch moderne, helle Betonbauten mit viel Glas,
lackierten Holzböden, Kacheln, stilisierten Wellblechdächern und schimmern-
den Pools ersetzt. In der Innenstadt und in einst grünen Stadtteilen wuchern
langweilige, schlecht isolierte und daher vollklimatisierte Appartementblocks,
beflügelt durch die hohen Kaufpreise und einen guten Schuss Korruption. Wo-
bei wir wieder bei der Gründung von Sydney angelangt wären.
Melbourne
Das Donnern von Pferdehufen erschüttert den Boden unter den Füßen der weit
über 100 000 Besucher auf Melbournes Flemington Racecourse. Die Stimme
des Kommentators überschlägt sich. Mit lautem Geschrei feuern Herren in An-
zügen mit Seidenkrawatten oder weißen Fliegen ihre Pferde an. Damen mit ele-
ganten Hüten oder Federn im aufgesteckten Haar springen ganz undamenhaft
auf und nieder, um einander kurz danach entweder lachend in die Arme zu fal-
len oder frustriert ihre Wettscheine zu zerknüllen.
In Wohnzimmern, Kneipen, Clubs und Büros, selbst in Flughäfen und War-
tesälen in ganz Australien wiederholt sich das Bild. Zum Melbourne Cup, dem
ersten Dienstag im November, Punkt 15 Uhr bewegt sich in ganz Australien
nichts. Nur Pferde. Das über 150 Jahre alte, hochdotierte Pferderennen legt das
ganze Land kurzzeitig lahm.
In Melbourne, der Hauptstadt des Staates Victoria, ist der Renntag ein of-
fizieller Feiertag. Schon Wochen vorher ist ein Großteil der weiblichen Bevöl-
kerung damit beschäftigt, Kleider, Kopfbedeckung und Schuhe dafür auszusu-
chen. Nun zieht sich (fast) jede Frau und jedes Mädchen wie eine Prinzessin
an und geht mit dem Mann ihrer Wahl fein aus. Zum Melbourne Cup trifft
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