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ein etwas seltsamer Wahlslogan sein, aber er hatte Erfolg. Die Boats , das waren
die wackeligen Fischerboote aus Indonesien, die Menschenschmuggler mit
Flüchtlingen vor Krieg oder Armut im Irak, Iran, in Afghanistan und Sri Lanka
vollstopften. 1976 waren die ersten Boatpeople aus Vietnam im Norden Aus-
traliens gelandet. Danach kamen durchschnittlich 300 Menschen pro Jahr an,
nicht gerade eine überwältigende Anzahl, sollte man meinen. Doch in den Her-
zen der Australier und vor allem der australischen Politiker schienen die er-
schöpften Menschen in ihren seeuntüchtigen Booten geradezu eine Panik aus-
zulösen. Der australische Journalist David Marr: »Das goldene Land, so reich,
so intelligent, so sicher und ordentlich, fürchtet sich vor Flüchtlingen in höl-
zernen Fischerbooten. Dies ist die große australische Angst, die nie ganz ver-
schwindet: die Angst, von ganzen Flotten mit Menschen aus dem Norden über-
rannt zu werden. Jedes Mal, wenn wir Flüchtlingsboote am Horizont entde-
cken, geraten wir in Panik. Fakten gelten dann nicht. Unsere Herzen verhärten
sich.«
In der Tat scheint das Thema Boatpeople die ansonsten zum Beispiel im An-
gesicht von Naturkatastrophen so gelassenen, warmherzigen, hilfsbereiten Aus-
tralier in eine wahre Hysterie zu versetzen. Schon die linke Labor-Regierung
Paul Keatings hatte die spärliche Zahl der Boatpeople in vergitterten Auffang-
lagern untergebracht, während sie auf die Bearbeitung ihrer Anträge warten
mussten. Als ab 1999 die Zahl der Asylbewerber, die mit Booten ankamen, auf
fast 4000 und dann gar über 5000 anstieg, rief die Regierung des damaligen
Premierministers John Howard den Kampf zum Schutz der Grenzen Australi-
ens aus. »Wir können stolz darauf sein, dass wir Menschen aus 140 verschie-
denen Nationen in unserem Land aufgenommen haben«, rief er in einer Wahl-
kampfrede. »Aber wir entscheiden, wer in dieses Land kommt und wie sie hier-
her kommen.« Seine Wähler jubelten. Und schon bald ergab sich für Howard
die Gelegenheit, seine Entschlossenheit zu demonstrieren: Der Kapitän eines
norwegischen Frachters, Arne Rinnen, hatte auf dem Weg von Perth nach Sin-
gapur 433 Asylsuchende, in der Hauptsache Afghanen, von einem untergehen-
den Boot gerettet. Das norwegische Frachtschiff war nun völlig überfüllt. Män-
ner, Frauen und Kinder drängten sich unter einer zwischen zwei Containersta-
peln aufgespannten Plane. Rinnen wollte die Menschen auf Christmas Island,
einer weit vor Australien gelegenen Insel, an Land bringen.
Kapitän Rinnen ankerte das Schiff vor der Insel und forderte die Australier
auf, ihm zu helfen, da er nicht mit den Menschen an Bord weiterfahren könne
und einige davon dringend medizinische Hilfe bräuchten. Doch Australien wei-
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