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Herrlich. Nach fünf schlaflosen Nächten im kalten, kleinen und ungemütlichen Zelt habe
ich wie ein Toter auf meiner großen und gemütlichen Federkernmatratze im Haria gepennt.
Und die Dusche erst mal: warmes, unbegrenztes Wasser aus der Leitung, statt einen halben
Liter in der Plastikschüssel und unverschämte Geier, die über mir kreisen und nur da-
rauf lauern, dass ich mein einziges Stück Seife für eine Sekunde aus den Augen lasse.
Ja, ja, ich bin schon ein echtes Weichei, den der fast unbegrenzte Wohlstand in Deutsch-
land zu einem regelrechten Krüppel seiner eigenen Instinkte gemacht hat. Dessen bin
ich mir voll bewusst. Das hat mir diese kleine „Kili“-Tour verdeutlicht. Umso befriedi-
gender ist es, einfach mal aus dieser omnipräsenten Zivilisation auszubrechen und sich mit
der ungeschminkten Natur auseinanderzusetzen. Sich nicht täglich die Haare zu waschen,
geschweige denn zu duschen. Sondern entspannt dabei zuzusehen, wie sich die Barthaare
unkontrolliert ihren Platz im sonst so glattrasierten Gesicht zurück erobern. Aber allem
Wehmut zum Trotz, der „Kili“ ist für mich Geschichte. Stattdessen krame ich meinen Kr-
empel im Hotelzimmer zusammen und trabe ohne Frühstück zum zentralen Busbahnhof
in Moshi , drücke dem Busfahrer 4.000 Tansania-Schilling in die Hand und besteige einen
der riesigen, alten Express-Busse nach Arusha . Als Einziger nehme ich in der ersten Reihe,
direkt neben dem Eingang Platz, meinen Rucksack auf meinem Schoß und die schwere
Transporttasche irgendwo ganz hinten auf der Ablage der letzten Reihe verstaut. Gerade
als ich denke, ich wäre tatsächlich der einzige Gast und der dickliche Busfahrer mit seinem
schwarzen Käppi mein ganz persönlicher Chauffeur, geht die Tür erneut auf und eine weit-
ere Touristin und ein afrikanischer Geschäftsmann steigen ein. Doch was dann geschieht,
kann man schwer beschreiben. Man muss es einfach einmal miterleben. Anscheinend wird
jetzt der Bus für die Allgemeinheit, für das „niedere“ Volk freigegeben und ein geschäfti-
ger Schleuser stopft einen Fahrgast nach dem anderen durch die enge Tür des Busses.
Der Bus ist voll. Dachte ich zumindest, denn alle Sitzplätze sind belegt und die Leute
sitzen sogar noch in Zweierreihen im Gang. Der Schleuser hat jedoch andere Pläne und
lotst immer mehr Leute in den überfüllten Bus, sehr zum Missfallen einer Polizistin, die
wie wild mit einem Holzknüppel auf die Leute eindrischt. Alles nur einfache Passanten,
die ihrer Meinung nach die unverfrorene Frechheit besitzen und weiterhin zum Bus strö-
men. Als dann auch der Schleuser gekonnt einen mit dem Knüppel über den kahlrasier-
ten Schädel gezogen bekommt, scheint die Situation zu eskalieren und der Busfahrer gibt
hektisch Gas. Gibt Gas und verlässt den menschenüberfüllten Busbahnhof. Jedoch nur,
um weiter hinten wieder erneut aufzufahren und weitere vier bis fünf Leute, ein paar
Getreidesäcke und gestresste Hühner in den Bus zu stopfen. Als die Polizistin wutentbran-
nt und kompromisslos auf alles einhaut, was auch nur schief in die Nähe des Busses guckt,
geht die Fahrt Richtung Arusha endlich los. Und ich bin dabei. Eingepfercht von meinem
Sitznachbarn und an die Seitenscheibe gedrückt von einem korpulenten, leicht säuerlich
riechenden Typen, der sich halb über mich gebeugt hat und versucht, irgendwo im maßlos
überfüllten Bus Halt zu finden.
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