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viele Tiefschläge ich noch einstecken kann, ohne endgültig auf die Bretter zu gehen. Frage
mich immer wieder, wie es mir geht, wenn plötzlich nichts mehr geht. Eine idiotische
Frage, die hoffentlich für immer unbeantwortet bleibt. Denn eines ist Fakt: auch wenn der
Köper nicht mehr kann, übernimmt der Geist, übernimmt der Wille und umgekehrt. Ein-
er von beiden zwingt dich dazu, immer weiterzugehen. Ob bewusst oder unbewusst, der
Mensch ist viel stärker, als er denkt. Ich bin viel stärker, als ich dachte. Und wenn ich
eines mit vom Kilimandscharo nehmen sollte, dann diese Erkenntnis. Eine Erkenntnis, die,
egal wie schmerzhaft sie auch erkämpft wurde, egal was in den nächsten Stunden noch
passieren sollte, den Rest meines Lebens mitprägen wird. Und ich bin davon überzeugt,
dass ich mental stärker aus Afrika zurückkehren werde. Dass ich charakterlich ein anderer
Mensch sein werde, als noch vor zwei Wochen am Berliner Airport in Deutschland. Dieses
Abenteuer Afrika und die Grenzerfahrung, mich am Kilimandscharo bis in die letzte Faser
meines Körpers zu verausgaben und mich mit mir selbst bis in die hinterste Ecke meines
Geistes auseinanderzusetzen, sind mit keinem Geld der Welt zu kaufen.
Welch heroische Erkenntnis, schreie ich leise in mich hinein. Stefan, hoffentlich hast du
keinen Sonnenstich. Schaff lieber erst mal deinen Arsch sicher von diesem ungastlichen
Berg. Und dennoch klammere ich mich an dieser Erkenntnis fest. Kralle mich daran fest
wie ein Ertrinkender an dem einzigen Rettungsring. Was bleibt mir auch übrig an diesem
wunderschönen Freitagvormittag mitten im idyllisch gelegenen Lavatrichter. Die Sonne
steht hoch am Himmel und strahlt mir mitten ins gerötete Gesicht, während sich ein leicht
kalter Wind in meiner Kleidung verfängt. Und direkt vor mir schlängelt sich der Pfad
durch die Gesteinsbrocken und Felsen des Eruptionstrichters. Welch famoser und einz-
igartiger Anblick. Ein genussvoller Anblick, der mir leider verwehrt bleibt, denn mir geht
es verdammt dreckig. Todmüde und mit halbgeschlossenen Augen gehe ich immer weit-
er. Ich habe das Gefühl, dass ich jeden Moment einschlafe. Einfach so, mitten im Ge-
hen. Und tatsächlich ertappe ich mich dabei, wie ich ab und zu einnicke, um dann völ-
lig erschrocken wieder aufzuwachen. Aber damit muss ich jetzt klarkommen und hoffen,
dass ich bei meinen Blindflügen nicht stürze und dabei unsanft den Boden küsse. Viel Ge-
genwehr kann ich eh nicht mehr leisten, denn ich bin innerlich leer. Bin wie ausgebrannt
und funktioniere lediglich im Unterbewusstsein. An dieser Stelle hat mein Körper definitiv
das Zepter übernommen und führt mich fortwährend vom Berg. Nur wie lange noch? Ich
befinde mich jetzt seit über zwei Stunden im Abstieg und die Zeitintervalle, in denen ich
mich auf den Beinen halten kann, werden immer kürzer. Mehr als zehn Meter schaffe ich
meist nichtamStück.Dannmussichaufmeinen Stöckengestützt stehenbleiben odermich
gar auf irgendeinen Felsen setzen, während ich nach Luft japse. Zu allem Überfluss fehlt
von meinem Guide immer noch jede Spur und ich verfluche den Moment, an dem ich ihm
meinenRucksacküberlassenhabe.Nicht,weilesmirsovielSpaßbereitethatdiesenzutra-
gen, sondern vielmehr, weil dort mein gesamtes Trinkwasser drin ist, das nun mittlerweile
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