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felschildes zusammen. Breche körperlich und emotional zusammen. In mir herrscht das
völlige Gefühlschaos. Ich schlage die Hände vor das Gesicht und weine. Weine wie ein
kleines Kind einfach drauflos. Große Tränen rinnen mir aus den Augen, tropfen von mein-
er Nasenspitze auf den Boden oder sammeln sich in den Gläsern meiner Sonnenbrille.
Alles - die ganze psychische Anspannung der letzten Tage und Stunden - fällt wie eine
tonnenschwere Last von meinen Schultern. Die ganzen körperlichen Strapazen und Ent-
behrungen, einfach alles, was mich belastet hat, wird mit diesen Tränen aus meinen Körper
gespült. Ein unglaublich befreiendes Gefühl, das sich mit totaler Erschöpfung, Stolz und
Freude vermischt. Der unendlichen Freude, mein Ziel erreicht zu haben. Dem Stolz auf die
eigene Leistung, mich selbst und den „Berg des bösen Geistes“ bezwungen zu haben. Dem
Wissen, dass man mir diesen Moment nie wieder nehmen kann.
Gasper und Wilson geben mir einige Minuten Zeit, die ich auch dringend benötige, um
mich wieder zu fangen und mit dieser Situation einigermaßen klarzukommen. Sie schotten
mich auch hermetisch vor anderen Guides und Bergsteigern ab, die sich an diesem sonni-
genFreitagmorgenscheinbarernsthaftummichsorgen.WermöchteesdenanderenGuides
und Bergsteigern auch verdenken. Ein solch jämmerliches Häufchen Mensch kann einem
schon die eine oder andere Sorgenfalte ins Gesicht zeichnen. Aber mir geht es gut, denn die
Endorphine rauschen durch meine Blutbahnen, strömen bis in jede Pore meines Körpers
und geben mir neuen Auftrieb.
Mein Guide Gasper, seines Zeichens Motivator und Hobbypsychologe, hilft mir wieder auf
die Beine und geleitet mich zur Gipfeltafel. Erst jetzt fällt mir auf, wie viele Leute sich
wirklich mit mir an diesem Morgen auf dem Gipfel eingefunden haben. Fünfzehn sind es
bestimmt. Die einen sehen mehr, die anderen weniger fit aus. Aber alle vereint ein glück-
licher Gesichtsausdruck, der in die Welt hinausschreit: „Seht her, ich habe es geschafft.
Ich bin Afrika aufs Dach geklettert und nichts oder niemand konnte mich davon abhalten.“
Genauso oder so ähnlich, wahrscheinlich eher so ähnlich, ist auch mein Gesichtsausdruck,
als ich mit Gasper vor dem Gipfelschild Aufstellung nehme. Es ist Freitagmorgen, acht
Uhr. Mein dreißigster Geburtstag. Zu meinen Füßen liegt das große hölzerne Kreuz. Das
Kreuz, das die Gestalten hier rauf geschleppt haben und das gerade zum beliebten Foto-
motiv mit anderen Bergsteigern mutiert. Und dahinter stehe ich mit Gasper, bereit, eines
derschönsten Fotosmeines bisherigen Lebens vonmirschießen zulassen. Dummnur,dass
der einheimische Guide, dem ich mein Smartphone zum Knipsen gegeben habe, partout
nicht damit zurechtkommt. Nach einem kleinen Exkurs in die Technik des 21. Jahrhunderts
ist dieses Problemchen dann schnell behoben. Und in heroischer Pose können Gasper und
ich uns stolz wie Bolle für die Nachwelt in Szene setzen. Bing! Bing! Es gibt ein Foto mit
GasperundmirinSiegerpose.EinesvonmiralleinundeinesmitmirundderFahnemeines
Heimatortes. Eine Fahne, die ich eigens für diesen Moment zwei Wochen, sicher im Ruck-
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