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IchschiebediesenabsurdenGedankenzurSeite,genießedielangsameinsetzende Wirkung
der Paracetamols und huste mir stattdessen zum dritten Mal an diesem friedlichen Donner-
stagmorgen die Seele aus dem Leib.
Wie an bisher jedem Tag auf dieser Tour des Leidens, betreibe ich erst etwas Katzen-
wäsche, packe meine Ausrüstung zusammen und quäle mir unter akribischer Aufsicht von
Gasper zwei Toastbrote mit Konfitüre und etwas Obst rein. Dann brechen wir auf. Ziel un-
serer heutigen Etappe ist das Barafu Camp . Dieses Camp ist mit 4.600 Metern nochmal
höher als der Lava Tower und gleichzeitig das letzte Lager bevor es auf den Gipfel geht.
Nach wenigen Minuten Fußmarsch erreichen wir eine raue Felswand, die fast 300 Meter
senkrecht nach oben führt und den leicht unverständlichen Namen Breakfast Wall trägt.
Verdutzt und etwas ungläubig stehe ich davor. Schaue mir die Wand mit Gasper etwas aus-
führlicher an, bis mein Nacken anfängt zu schmerzen und die leise Ahnung langsam zur
Gewissheit wird. Dabei erkenne ich viele Menschen, die sich langsam im Fels, als Farb-
tupfer getarnt, nach oben arbeiten. Und ehe ich bis drei zählen kann, bin ich selbst einer
von den armen Trotteln, die sich dort hochquälen. Doch wenn ich schon ein armer Trot-
tel bin, was sind denn dann bitteschön die Porter? Diese bleistiftdicken Burschen klettern
hier vollbepackt wie Lastentiere den Berg rauf. Das Ganze noch größtenteils freihändig,
weil sie die Last permanent festhalten müssen. Dabei immer nur wenige Zentimeter vom
Abgrund entfernt. In meinen Augen gleicht das dem Ritt auf einer Rasierklinge und macht
sie zu den eigentlichen Helden dieser Tour. Wenn ich in die gestressten, zum Zerreißen an-
gespannten Gesichter der Träger blicke, sehe ich, dass sie sich dessen auch voll bewusst
sind. Denn dieser Anstieg an diesem Donnerstagmorgen geht sogar an den sonst so cool
wirkenden Trägern nicht spurlos vorbei. Und auch ich bin hoch konzentrieren. Auch ich
bin bis in die letzte Faser meines Körpers zum Zerreißen angespannt. Die Trekkingstöcke,
die mir die letzten Tage ein treuer Begleiter waren, verschnüre ich fest an meinem Tages-
rucksack, denn hier brauche ich jede freie Hand. Auch der leichte Schwindel steht mir
diesen Morgen wieder tapfer zur Seite und macht mir das Klettern zunehmend schwer-
er. So schwer, dass ich mich regelrecht dazu zwingen muss, immer erst einen festen Tritt
und sicheren Griff zu suchen. Die Gefahr, dass ich den Halt verliere oder lose Steine ab-
trete, ist viel zu hoch. Genauso wie die Gefahr, dass ich selbst einen Stein abbekomme, der
meinen Schädel wie eine überreife Melone zum Platzen bringt. Ein Wunder, dass bisher
nichts passiert ist. Den redegewandten Autoren, die überschwänglich verkünden, dass der
Kilimandscharo ein Berg ist, den man leicht „bewandern“ kann, gehören ein Mal ordent-
lich in den Schwitzkasten genommen. Für echte Bergkletterer wie die Reinhold Messners
dieser Welt, mag das sicherlich zutreffen. Die würden hierfür wahrscheinlich nicht einmal
die Schuhe schnüren, geschweige denn die Hände aus den Hosentaschen nehmen. Aber für
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