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gewisseZukunftwarunddermöglicherweiseauchzublödist,umzumerken,dasservöllig
blind in sein Unglück rennt. Ich für meinen Teil nenne so etwas Abenteuer pur. Und dabei
habe ich nur ein Bild im Kopf: Nämlich ein Foto von mir, wie ich höchstpersönlich und
überglücklich am Gipfelkreuz stehe. Das ist mein Ziel. Und dieses Ziel rufe ich mir immer
wieder und wieder in Momenten mentaler Schwächen vor Augen. Egal, wie dumm es sich
auch anhört, das ist mein psychologischer Anker.Das soll mein Trick sein, um mich auf die
Spitze dieses Sandkorns mitten in Afrika zu bringen. Da mir der Weg bis zum Ziel jedoch,
wie bereits erwähnt, völlig unbekannt ist, fühle ich mich bei jedem Schritt wie Hans Meyer
und Ludwig Purtscheller . Die beiden Pioniere, die sich 1889 diesen Berg aufwärts quälten
und als Erste den Uhuru Peak , den höchsten Punkt auf dem Gipfel des „Kilis“, erreichten.
Dabei führt mich heute Morgen mein meyerscher und purtschellerscher Abenteurerdrang
nur durch bizarre, leicht ansteigende Gesteinslandschaften, die Nord-West Flanke des
Kibos immer fest im Blick. Auf diesem Teil des Shira Plateaus befinden sich keine Bäume
oder gar Sträucher mehr. Lediglich riesige Felssteine versperren uns den staubigen Weg
und zwingen uns Slalom zu laufen. Die Sonne am wolkenlosen Himmel brennt uns un-
erbittlich ins Gesicht und verhilft somit der Lichtschutzfaktor-30-Sonnencreme zu ihrer
Daseinsberechtigung und der viel zu warmen Hardshelljacke zu einem Platz im Ruck-
sack.BeimDurchlaufendieserbizarrenGesteinslandschaft passieren wirüberalldieselust-
igen kleinen und großen Steinmännchen. Wanderer haben diese auf den unzähligen Felsen
über Jahrzehnte hinweg aufgestellt. Ein mir sympathischer, jedoch völlig unverständlicher
Brauch, den ich sonst nur aus skandinavischen Ländern kenne und der dort als Schutz vor
Trollen oder als Wegweiser in Gebirgen ausgeführt wird. - Aber naja, wer will denn schon
die Trolle verärgern oder sich restlos verlaufen. Also lege ich rein prophylaktisch ein Ste-
inchen oben drauf. Sicher ist sicher.
Obwohl wir unser Tempo im Vergleich zum Vortag deutlich verlangsamt haben, immer
getreu der ostafrikanischen Zauberformel „pole pole“, was so viel heißt wie „immer mit
der Ruhe“, lassen wir die meisten anderen Teams hinter uns zurück. Nach einigen Stun-
den Aufstieg, wahrscheinlich sind es vier, stoßen wir auf Bergsteiger anderer Touren.
Bergsteiger,die,wieGaspererzählt,die Lemosho Route gewählthabenundderenWegjetzt
mit unserem zusammenfließt. Gemeinsam kämpfen wir uns eine immer steiler werdende
Rampe in Richtung einer riesigen Felsformation hinauf, die zackig und eckig wie eine
Pfeilspitze aus dem Boden emporragt. Jeder Schritt fällt mir jetzt schwerer. Mein Schädel
platzt gleich. Ich fühle mich wieder schwindelig, fast schon wie benommen, während ich
Schritt für Schritt auf diese eigenwillige Formation zusteuere. Und zum ersten Mal habe
ich auch das Gefühl, dass mir das Atmen etwas schwerer fällt. Doch eigentlich kein Wun-
der. Da ist es schon eher verwunderlich, dass es mir erst jetzt auffällt. Immerhin nimmt der
Sauerstoff in der Luft mit zunehmender Höhe rapide ab. Auf dem Gipfel soll dieser sog-
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