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„Let's go out!“ ertönt es von meinem Guide Gasper auf der Rücksitzbank. Das muss man
mir natürlich nicht zweimal sagen und so verlasse ich energiegeladen dieses miefige Taxi,
um meine ersten Schritte auf 1.800 Metern zu machen. 1.800 Meter, das ist für mich heute
eine echte Premiere, war doch bisher mein größtes und einschneidendstes Höhenerlebnis -
damals noch als Kind - die Besteigung des gigantischen und 1.141 Meter hohen Brockens
im Harz. Ein echter Witz im Gegensatz zu den 5.895 Metern, die ich mir für meine erste
richtige Bergtour als Ziel gesetzt habe. Aber alles halb so wild. Das ist doch auch nur ein
Berg, sage ich gewohnt selbstsicher zu mir. Nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht
wird. Das predigen sogar die Alten und Weisen - und die müssen es schließlich wissen.
Außerdem habe ich in den nächsten Tagen noch ausführlich Zeit, meine Höhenverträglich-
keit zu testen und meine bisher noch nicht erprobten Fähigkeiten als Gipfelstürmer unter
Beweis zu stellen. Der erste Schritt dafür ist bereits geschafft. Denn diese abenteuerliche
Taxifahrt von Moshi in das 1.000 Meter höher gelegene Machame Gate haben mein Team
und ich ohne Crash wohlbehalten überstanden.
Dynamisch werfe ich meinen Rucksack über die rechte Schulter, an dem die penibel fest-
gezurrten Trekkingstöcke wie Lanzen in den blauen Himmel emporragen. Damit ich mich
schon mal daran gewöhnen kann, wie die Rollenverteilung in den folgenden sieben Tagen
sein wird, trotte ich mit meinem Rucksack bewaffnet Gasper hinterher. Er führt mich bis
zu einem überdachten, mit Holzbänken ausgestatteten Unterstand, in dem sich bereits über
zwanzig andere Bergtouristen tummeln und sich auf den Aufstieg vorbereiten. Artig wie
ich bin, lasse ich mich dort von ihm „zwischenparken“, mit dem freundlichen Hinweis,
dass wir nur noch auf einen weiteren Träger warten müssen, bevor es gleich losgeht. Nun
ja,jederderbereitsinTansaniaoderKeniagewesenist,weiß,dassdortderBegriff„gleich“
sehr unterschiedlich entgegen den recht zeitstringenten Deutschen interpretiert wird. Zum
Glück konnte ich mich in der vorangegangenen Woche meines Aufenthalts bereits mehr-
fach an das ortsübliche Zeitverständnis von „gleich“ gewöhnen. So wundert es mich nicht
weiter, dass ich dort deutlich länger warten darf. „Hakuna Matata“ - alles kein Problem,
summe ich leise vor mich hin, setze mich auf eine dieser Holzbänke und bestaune die
grünen, stark bewachsenen Hänge mit den undurchsichtigen Urwaldbäumen, die mir ein-
en süßen Vorgeschmack auf das geben, was mich sehr bald erwarten wird. Also warte ich.
Warte geduldig eine Stunde, bis ich beschließe die Zeit dafür zu nutzen, um mein Lunch-
paket zu plündern, ein letztes Mal den Luxus einer halbwegs sauberen Toilette zu genießen
und mit ein paar Bergtouristen anderer Touren, die unterschiedlicher nicht sein könnten, zu
quatschen. Da gibt es einerseits die große Gruppe von Japanern, die so professionell aus-
gerüstet sind, als würden sie heute noch versuchen, den Hillary Step am Mount Everest
zu bezwingen. Die sich aufgeregt über ihre mehr als einjährige Planung und monatelange
Vorbereitung in alpinen Gebirgen und Höhenkammern unterhalten. Auf der anderen Seite
eine Gruppe Russen, die mit ihren Sandalen gleichsam auch auf dem Weg zum Brötchen
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