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Die Wiederentdeckung der
Langsamkeit
Hunderttausende von Menschen sind
im Mittelalter zur Wunderblutkirche
nach Bad Wilsnack gepilgert, bis die
Reformation der Wallfahrtsbewegung
ein Ende setzte. Im Zeichen der aktuel-
len Pilgermode erlebt der Weg von der
Hauptstadt in die Prignitz eine Renais-
sance. In den letzten Jahren hat der
Förderverein Wunderblutkirche zu-
sammen mit den Tourismusverbänden
Prignitz und Ruppiner Land die Strecke
von Berlin aus rekonstruiert. Zum ei-
nen wurde der etwa 135 km lange
Weg, der in ca. sechs Tagen zu bewäl-
tigen ist, markiert - Symbol sind drei
rote Punkte, die für die Bluthostien des
mittelalterlichen Blutwunders stehen.
Zum anderen ist eine bescheidene In-
frastruktur mit Gasthöfen, Pensionen,
Heuquartieren oder Pfarrhäusern ent-
standen. Sie lässt sich keinesfalls mit
der des Jakobswegs nach Santiago de
Compostela vergleichen. Dafür kann
man hier einen Teil Brandenburgs er-
leben, der zur Entschleunigung wie ge-
schaffen ist. Mal geht es durch flache
Luchlandschaft mit Sumpfwiesen, mal
durch Kiefern- oder Mischwälder.
heute die Berliner Volksbank residiert.
Außerdem hat beim Marktbrunnen
der Bildhauer Jan Witte-Kropius die
Bassewitz-Sage in eindrucksvoller
Weise zu Bronze verarbeitet: Blickfang
sind drei Frauen, die den gefürchteten
Raubritter Bassewitz mit Kochtöpfen
voll heißem Brei in die Flucht geschla-
gen haben sollen. Gleich um die Ecke
erheben sich die Türme der spätgoti-
schen Marienkirche mit der klassizisti-
schen Fassade von Friedrich August
Stüler. Innen überrascht neben einer
Statue der Anna Selbdritt der romani-
sche Taufstein mit expressiven Szenen
aus dem Alten und Neuen Testament.
Die erste Pilgeretappe beginnt auf
der gegenüber liegenden Seite des
Marktplatzes an der Pritzwalker
Straße. Durch die läuft man bis zu ei-
ner großen Ampelkreuzung und biegt
links in die Wilsnacker Straße ein. Von
hier aus geht es ca. 4 km an der Land-
straße entlang nach Rehfeld , wo man
schon einen ersten Eindruck von der
Einsamkeit des Landstrichs bekommt.
Weiter geht es auf unbefestigtem, von
Birken, Eichen und Kiefern bestande-
nem, etwa 3 km langen Weg nach Ber-
litt. Die Hauptstraße führt links zum
Schloss Berlitt , das eher ein stattliches
Gutshaus ist, gleich daneben träumt
die spätgotische Kirche zwischen Bäu-
men und Wiese vor sich hin. Sie ist eine
eigentümliche Mischung aus Feldstei-
nen, Fachwerk und elegantem Back-
steingiebel. Wer sich bei den Nachbarn
den Schlüssel besorgt, bekommt auch
den freundlichen Innenraum mit baro-
ckem Chorgestühl und einer schön be-
malten Kanzel zu sehen. Am Ortsende
führt dann ein besonders reizvoller,
rund 4 km langer Weg auf dem ehe-
maligen Bahndamm mit weitem Blick
über Wiesen und Felder nach Baren-
thin . Für Pilger ist der Ort ein wichtiges
Zwischenziel. Das dortige Pfarrhaus
Von Kyritz über Barenthin nach
Söllenthin
Als kleinere Zwei-Tages-Etappe emp-
fiehlt sich die Strecke ab Kyritz . Das
Städtchen in der Ostprignitz ist nicht
nur schön anzusehen, sondern auch
gut mit dem Regionalexpress zu errei-
chen. Vor der Wanderung sollte man
sich hier ausreichend bevorraten, da es
auf den folgenden rund 40 km kaum
Einkaufs- und Einkehrmöglichkeiten
gibt. Auch der Marktplatz mit der aus-
ladenden Eiche in der Mitte lohnt den
Besuch. Ringsum stehen adrette Fach-
werkbauten und ein sorgsam restau-
riertes Jugendstilgebäude, in dem
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