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Brandenburger Barock?
Barocke Schnörkel in grellem Gelb und
strahlendem Weiß - so sehen Branden-
burgs Kirchen normalerweise nicht aus.
Während anderswo bei den Sakralbau-
ten Feldsteine oder roter Backstein do-
minieren, überrascht Neuzelle mit
freundlich-hellen Farben und üppigen
Formen - sodass man tatsächlich von ei-
nem Barockwunder sprechen kann.
Von Heinrich dem Erlauchten, dem
sächsischen Markgrafen von Meißen
1268 gestiftet, wurde Nova Cella ur-
sprünglich im Stil der Backsteingotik er-
baut. Kurz darauf, 1304, kam das Zis-
terzienserkloster unter brandenburgi-
sche Herrschaft, fiel aber 1370 wieder
an das von Karl IV. regierte Königreich
Böhmen. Dieser Umstand bewahrte das
Kloster nicht nur vor der Auflösung im
Zeichen der Reformation, er verhalf
ihm im 18. Jh. sogar zu neuer Blüte. Die
Stiftskirche erhielt die zusätzliche Jo-
sephskapelle und weitere Anbauten,
Kirchturm und Eingangshalle, dazu
weitere Klausurgebäude und Arkaden-
gänge im Klosterhof. Gleichzeitig ent-
standen die ebenfalls barocke, evange-
lische Leutekirche und der Kloster-
garten mit Orangerie. Erst als die Nie-
derlausitz 1815 Preußen zufiel, wurde
das Kloster aufgehoben. Die Kirche sel-
ber blieb katholisch und diente als eine
Art Wallfahrtskirche, während die Be-
sitztümer an das preußisch-staatliche
Stift Neuzelle gingen. Heute werden
die Klostergebäude als Pfarrkirche, Mu-
seum und deutsch-polnisches Internat
genutzt. Außerdem geben sie die stim-
mungsvolle Kulisse des Internationalen
Musikfestivals Oper-Oder-Spree sowie
von Mittelalter- und Weihnachtsmärk-
ten ab.
ker Hand die Klosterbrauerei, rechts der
Klosterteich, der im Sommer mit Seero-
sen bedeckt ist, führt eine Lindenallee
geradewegs auf die Stiftskirche St. Ma-
rien zu. Wenn schon die Fassade in
leuchtenden Weiß- und Gelbtönen in
Erstaunen versetzt, dann erst recht das
Innere, das nur so überquillt von Skulp-
turen, Putten und Heiligen. Allein 13 Al-
täre, mehrere geschnitzte Kanzeln, Fi-
guren aus Marmor oder vergoldetem
Stuck drängen sich zwischen weißem
Stuckdekor, Wand- und Deckenmale-
reien. Die Deckenmalereien sind der
erste große, sakrale Freskenzyklus auf
deutschem Boden. Hier Maria als
Schmerzensmutter, dort Christus als
Weltenrichter, anderswo wieder Toten-
köpfe, Engel, eine pathetische Pietà
oder der Evangelist Lukas, dessen Buch
auf einem Stierkopf ruht. Auf den ers-
ten Blick mag das erdrückend erschei-
nen. Doch in Neuzelle sollte nun mal die
Gegenreformation triumphieren.
Lebendige Geschichte im
Kreuzgang
Dabei lassen die hellen Farben das Licht
durchflutete Innere recht freundlich
wirken. Anders als die kleinere Pfarrkir-
che Zum Heiligen Kreuz, die wesentlich
schlichter ist. Schön anzusehen sind mit
einer Darstellung der Bergpredigt und
das kunstvolle Kruzifix mit einer zu Fü-
ßen des Gekreuzigten knieenden Maria
Magdalena. Herzstück des mittelalterli-
chen Klosters ist indessen der spätgoti-
sche Kreuzgang. Neben dem wunder-
baren Kreuzrippengewölbe sind durch
die kürzliche Restaurierung auch die
spätmittelalterlichen Ausmalungen
sichtbar geworden. Ein Kleinod ist auch
der Klostergarten, der einzige Barock-
garten Brandenburgs mit geometri-
schen Wege- und Wasseranlagen, steil
abfallenden Terrassen und einer hüb-
schen Orangerie mit Café.
Triumph der Gegenreformation
Wer sich dem Stift nähert, sieht schon
von weitem den 70 m hohen Turm. Lin-
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