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Umgebung des Olympiastadions in
meist einstöckigen, barackenartigen
Gebäuden, die nach deutschen Städ-
ten benannt und standardmäßig mit
Zweibettzimmern, Dusche, WC, Zen-
tralheizung und Münzfernsprecher
ausgestattet waren. Wie die Räume
mit zwei Betten, Tisch, Stuhl usw. aus-
sahen, lässt sich vom sanierten Haus
Meißen ablesen, in dem Jesse Owens
unterkam. Der amerikanische Leicht-
athlet, der vier Goldmedaillen errang,
war zum Ärger Hitlers der Star und Pu-
blikumsliebling der damaligen Spiele.
Andere Häuser befinden sich dagegen
in völlig verwohntem, oftmals von den
früheren russischen Bewohnern ver-
bauten und inzwischen mehr oder we-
niger zerstörtem Zustand.
Besonders eindrucksvoll ist jedoch
das Speisehaus der Nationen : Der
größte Bau des Dorfes überrascht mit
einer elegant geschwungenen Ellip-
senform. Zudem ermöglicht ein Eisen-
betonskelett die Auflösung der Wände
in großzügige Fensterfronten. Hier
konnten die unterschiedlichen Natio-
nen in 38 Speisesälen essen und von
der obersten der drei terrassenartig
angelegten Etagen bis zum Olympia-
stadion blicken, während im Unterge-
schoss Kühl- und Vorratsräume, ein
Kraftwerk, Heizanlagen und sogar die
dorfeigene Feuerwehr Platz hatten.
Auch hier wurde bereits bei der Ent-
stehung des Gebäudes an seine spä-
tere Nutzung als Militärlazarett ge-
dacht - so wurde vorgesorgt, dass die
benötigten Krankenbetten auf die Ter-
rassen an die frische Luft geschoben
werden können.
hohen Bäumen erhebt: In dem zwei-
stöckigen Bau befand sich neben Trai-
ningsräumen ein großer Theatersaal, in
dem Tanz- Theater- und Filmvorfüh-
rungen stattfanden. Organisiert wur-
den die Veranstaltungen von der »Ab-
teilung Freude«. Was nicht dazu passen
will, ist die Monumentalplastik mit auf-
marschierenden SS-Soldaten zu Ehren
Hindenburgs, die im Erdgeschoss frei-
gelegt wurde. Man kann nur rätseln,
was die ausländischen Gäste bei ihrem
Anblick empfanden - ob sie ahnten,
was ihre Gastgeber in naher Zukunft
vorhatten? Die Rote Armee hat dem
fragwürdigen Kunstwerk in einem an-
deren Raum ein Wandgemälde mit
Kriegsmotiven entgegengesetzt.
Tatsächlich erhielt die Wehrmacht
sofort nach Beendigung der Olympi-
schen Spiele das Nutzungsrecht an den
Bauten. Die Infanterieschule zog hier
ein, aus dem Speisehaus der Nationen
wurde ein Lazarett, aus dem Hinden-
burghaus ein Hörsaal, aus dem Emp-
fangsgebäude Kommandatur und Of-
fiziersheim. Nach dem Zweiten Welt-
krieg besetzte die Sowjetarmee das
Gebiet. Einige Gebäude wurden zer-
stört, die früheren Wohnhäuser durch
Plattenbauten ersetzt, der Charakter
des Geländes völlig verändert. Als die
Sowjets 1992 das Gelände mit den ma-
roden Gebäuden verließen, setzen ih-
nen Vandalismus und Plünderungen
zusätzlich zu. Inzwischen hat die DKB-
Stiftung für gesellschaftliches Engage-
ment das Grundstück erworben und
betreibt das denkmalgeschützte Olym-
pische Dorf als Museum. Dabei will sie
nicht nur die wichtigsten Gebäude in-
standhalten, es sollen auch die Kaser-
nen, die die Rote Armee errichtet hat,
abgerissen werden, um die ursprüngli-
che Landschaftsarchitektur mit ihren
einzigartigen Sichtachsen wiederher-
zustellen.
Ein verräterisches ›Kunstwerk‹
Noch bezeichnender für die Gesinnung
der Gastgeber ist jedoch das Hinden-
burghaus , das sich ein Stück weiter mit
freundlich-gelber Fassade hinter haus-
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