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Der steinerne Riese
Gemächlich tuckert die kleine Marga-
rita vom Pier in Sant Elm über die
Meerenge. Wie ein schlafendes Unge-
heuer ruht das Ziel der 20-minütigen
Fahrt, die etwa 4 km lange und bis zu
900 m breite Insel Sa Dragonera, vor
der Bucht. An der winzigen Cala Lladó
(Räuberbucht), dem einzigen natürli-
che Landeplatz, werden wir in die
Wildnis entlassen.
Geologisch bildet die Insel die Fort-
setzung des Tramuntana-Gebirges, das
hier unter den Meeresspiegel taucht.
Die dem offenen Meer zugewandte
Westküste Sa Dragoneras fällt steil ab,
von Osten her ist der Anstieg flacher.
An der Ostseite sind einige Buchten
entstanden.
Refugium für Flora und Fauna
Kantige Felsen durchsetzt mit Macchie
und knorrigen alten Ölbäumen als
Relikte einer längst aufgegebenen
Landwirtschaft bestimmen das Bild.
Heidekraut, Rosmarin, Kreuzdorn und
Zwergpalmen haben hier ihr geschütz-
tes Biotop und natürlich auch seltene
Tiere wie die endemische Dragonera-
Eidechse, die auf der Liste bedrohter
Tierarten stehende Samtkopfgrasmü-
cke oder der Eleonoren-Falke.
Zu Fuß auf Entdeckungstour
Wer sich allein auf den Weg macht,
Dragonera zu erkunden, dem bieten
sich verschiedene Ziele an. So etwa die
Leuchttürme, die an exponierter Stelle
thronen. Für den Weg zum etwa 1,5 km
entfernten Far de Tramuntana an der
Ostspitze, von dem aus man einen
grandiosen Blick auf die Küste hat, be-
nötigt man hin und zurück etwa 1 Std.
Der Leuchtturm wurde 1907 in Betrieb
genommen und arbeitet heute auto-
matisch. Anstrengender - und mit ca.
4 km länger - gestaltet sich schon der
Aufstieg zum höchsten Punkt der Insel,
dem 356 m hoch gelegenen Puig de na
Pòpia , den früher ein Wachtturm ge-
gen Piraten einnahm, ab 1854 ein
Leuchtfeuer, das wegen des häufigen
Nebels 1910 den Betrieb jedoch ein-
stellte. Ausgesprochen lohnend, wenn
auch mit 4,5 km recht weit, ist der Weg
zur westlichen Ecke der Insel, die der
Far de Llebeig markiert. Diese Wande-
rung berührt darüber hinaus den Le-
bensraum der seltenen Eleonoren-Fal-
ken.
Die Nordküste von Sa Dragonera da-
gegen ist unzugänglich. Fast senkrecht
stürzen die Felsen ins Meer. Früher
sammelten hier die Küstenbewohner
unter Lebensgefahr eine Flechte, die
als Textilfarbstoff begehrt war, heute
nisten hier Seevögel.
Menschliche Spuren
Seit die Verwaltung Mallorcas die Insel
1987 unter Naturschutz gestellt hat, ist
sie bis auf einen Ranger völlig unbe-
wohnt. Das war nicht immer so. Spärli-
che Reste deuten darauf hin, dass be-
reits die Römer hier lagerten. Vom 15.
bis 18. Jh. bevorzugten Piraten die
Bucht. Zum einen lagen ihre Schiffe
hier geschützt vor heftigen Winden
und fremden Blicken, zum anderen
profitierten sie von einem unterirdi-
schen Süßwassersee, der die Trinkwas-
serversorgung sicherstellte. Die Küs-
tenbewohner machten schließlich dem
Spuk ein Ende, indem sie den Zugang
mit einem riesigen Felsbrocken ver-
sperrten und Wachttürme bauten.
Dass sich Gerüchte von vergrabenen
Schätzen bis heute gehalten haben, ist
nur zu verständlich, zumal es etliche
Höhlen gibt, die sich als Verstecke an-
bieten, so die Cova del Moro (Mauren-
höhle), in der aber bisher nur Ton-
scherben und Menschenknochen ge-
funden wurden - Anlass zu manch
gruseliger Geschichte.
 
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