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5 Festigkeitshypothesen
5.1 Allgemeines
Wir haben anfangs erwähnt, dass die Streckgrenze beim Zugversuch gemessen wird
und sich daraus die zulässige Zugspannung bestimmt. Im Zugstab treten aber, wie
wir inzwischen wissen, auch Schubspannungen auf. Wir hätten also ebenso gut die
zur Streckgrenze gehörende Schubspannung als Kennzeichen der Streckgrenze
angeben können. Mit diesem Hinweis soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die
Wahl der Zugspannung zur Kennzeichnung der Streckgrenze keineswegs gleichbe-
deutend ist mit der Annahme oder gar Behauptung, die (Größe der) Normalspan-
nung auf einer Querschnittsebene sei verantwortlich für das Auftreten bleibender
Formänderungen. Dass eine solche Annahme falsch ist, zeigt unmittelbar ein zweiter
Versuch: Zur experimentellen Bestimmung des Gleitmoduls wird manchmal ein
dünnwandiges Rohr tordiert, wobei M T und
berech-
net werden. Dabei ist deutlich ein elastischer und plastischer Bereich (also eine
Streckgrenze) festzustellen, obwohl auf den Querschnittsebenen nur Tangential-
spannungen wirken und keine Normalspannungen. Ein Vergleich der Ergebnisse
beider Versuche zeigt übrigens, dass die beim Torsionsversuch an der Streckgrenze
vorhandene Schubspannung nicht übereinstimmt mit der im Zugstab an der Streck-
grenze vorhandenen Schubspannung. Dabei erhebt sich denn auch schon die erste
Frage: Welchen dieser beiden Werte soll man bei der Festlegung von zulässigen
Schubspannungen zugrunde legen? Man könnte nun meinen, es sei praktisch ausrei-
chend, wenn man sich für eine dieser beiden kritischen Schubspannungen entschei-
de (sagen wir: für die niedrigere), und dann bei einer Bemessung nachweist, dass
die auf einer Querschnittsebene vorhandenen größten Normal- und Tangentialspan-
nungen weit genug unterhalb dieser Grenzwerte liegen. Dieses Verfahren reicht aus,
solange im Bereich größter Normalspannungen keine (wesentlichen) Schubspan-
nungen wirken und im Bereich größter Schubspannungen keine (wesentlichen)
Normalspannungen (wie etwa bei einem Biegebalken mit Rechteckquerschnitt). Es
reicht nicht mehr aus, wenn in der Gegend größter Normalspannungen auch große
Tangentialspannungen wirken oder umgekehrt. So etwas tritt auf u.a. bei den fol-
genden drei Beispielen:
ϑ
gemessen und dann
τ
und
γ
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