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Eine lukrative Ader
Der Untertageabbau von Schiefer in
Llechwedd begann 1846, nachdem
eine hochwertige Ader entdeckt wor-
den war. Schieferabbau war gerade
sehr lukrativ geworden, denn die Nach-
frage für Qualitäts-Dachschiefer war
hoch, auch aus dem Ausland: 1842
hatte ein Großfeuer in Hamburg zahl-
reiche Dächer zerstört. Der englische
Unternehmer J. W. Greaves reagierte
mit umfangreichen Investitionen und
schickte seine Arbeiter tief in den Berg,
um den Schatz zu heben. In dem offe-
nen Bähnchen der historischen Miners'
Tramway rumpeln Besucher heute auf
Loren durch die Stollen. Die Tour steu-
ert einen unterirdischen See und einen
Lichtschacht an, der, inzwischen mit
Farn und Moos begrünt, zum Nistplatz
für Alpenkrähen geworden ist.
Flüssiges für staubige Kehlen
Da ist man froh, wieder im Tageslicht
zu stehen, im seinerzeit für die Ar-
beiter angelegten Dorf - mit roter Te-
lefonzelle, rotem Briefkasten, dem
Miners Arms' Pub, das Real Ale und
einfache Gerichte wie Miners' lunch
(unter £ 5) anbietet, und dem Dorfla-
den mit viktorianischen Souvenirs. Vor
dem Einkauf ist allerdings ein Besuch
bei der Bank Greenway & Greaves von-
nöten. Bezahlt wird im Nostalgiedorf
nämlich in penny, shilling und farthing
- wie weiland unter Queen Victoria.
Erneuerbare Energie anno 1850
Wer mag, besteigt den Abraumhügel
und überblickt von diesem Viewing
Point das kleine Freilichtmuseum zu
seinen Füßen: Hämmern dröhnt aus
der Schmiede (smithy) , die eingerich-
tet wurde, um Werkzeuge vor Ort re-
parieren zu können. Zu sehen sind au-
ßerdem ein Wasserrad , mit dem das
Wasser aus den Schächten gepumpt
wurde, rostige Loren und Maschinen.
Die Versorgung mit Hydro-Energie war
nie ein Problem, denn Bergwerksbesit-
zer Greaves gehörten auch zwei Berg-
seen. Die Slate Mill von 1852 zerteilte
die Steinbrocken, die dann von Hand
weiter gespalten wurden, zu dünnen
Platten fürs Dach. Heute kann man da-
bei im Slate Workshop zusehen.
Das Unternehmen lieferte Dach-
schiefer zum Verlegen. An die Küste
gelangte das gefragte Produkt mit der
Schmalspurbahn Ffestiniog Railway (s.
S. 226). Das Geniale: Sie kam völlig
ohne Antrieb aus, denn dank stetigem
Gefälle und kluger Streckenführung
ging es bis zum Verladehafen stets
bergab. Zugpferde schafften die lee-
ren Waggons wieder hoch zum Stein-
bruch. Die Strecke windet sich noch
heute durch wunderschöne Landschaft
und Tunnels bis nach Porthmadog.
Geisterstimmen in der Tiefe
Bei der zweiten Tour, der Deep Mine
Tour, wird es ernst: Ausgestattet mit
Schutzhelmen und Regenkleidung -
in der Mine tropft es - sausen die
Besucher mit einer modernen Kabi-
nenbahn, der steilsten Passagierbahn
Großbritanniens, mit bis zu 30 Grad
Neigung 137 m tief in den Berg. Eine
25-minütige Fußwanderung durch die
kühlen, feuchten Stollen reicht aus, um
die Arbeitsbedingungen der Bergleute
vor rund 100 Jahren hautnah kennen-
zulernen. Zehn Kammern auf zwei
Ebenen werden durchquert, wobei die
Geisterstimme eines Arbeiters, der vor
150 Jahren hier schuftete, für Gänse-
haut sorgt. Sie berichtet vom grausigen
Alltag der Arbeiter. Schon Zwölfjährige
mussten sechs Tage in der Woche zwölf
Stunden am Tag bei Kerzenlicht unter
der Erde verbringen. Es kam häufig zu
Arbeitsunfällen und der Feinstaub tat
ein Übriges; die Lebenserwartung lag
bei gerade einmal 52 Jahren.
 
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